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starre Zweige zu nähen, in so dichter Anordnung, daß kein Faden des leinenen Grundes
sichtbar bleiben sollte.
Die „sehnige Naht" (in-vurrös), die Hauptgattung des jetzigen Varrottas, die aus
Doppel-Kreuzstichen besteht, war die ganz in Vergessenheit gerathene Technik, die jene
Mädchen von jener bejahrten Frau neu erlernten. Mit dieser Arbeit ist die Villa der Frau
Erzherzogin Clotilde zu Schmecks deeorirt, ein gutes Beispiel, das in den höchsten Kreisen
alsbald lebhafte Nachfolge fand. Königin Elisabeth machte für die Ausstattung der Frau
Erzherzogin Maria Valerie eine große Bestellung solcher Handarbeit. Es wurden alte
Varrottas-Mnster gesucht, und eigenthümlicherweise wünschte sich die Tochter unserer
Königin für eines ihrer Gemächer gerade das Muster, das nach dem Volksglauben
bräutliches Glück verbürgt. Es ist das sogenannte „Birnenmuster" (körtves). Einst nähte
das Volk auch dieses Muster, wie die übrigen, mit rothem oder dunkelblauem Faden. Die
junge Erzherzogin wünschte es hellblau. Und in der That machte das reiche, blaßblaue
Varrottas auf dem hellen Cremegrunde der gekrausten Leinwand die schönste Wirkung.
Auf derselben Leinwand war das Varrottas für zwei andere Zimmer ausgeführt, das eine
ein schneeweißes „Tellermuster" (tün^eros), das andere ein brennendrothes „Agraffen-"
(boZlÄros) und „Bärenmuster" (meäves). Und das Volk erzählt dem Fremden noch jetzt
mit Stolz: ich habe dem Königs-Fräuleiu ihr „Sach" gestickt.
Unter den „sehnigen" oder „am Faden genähten" varrt) Mustern sind die
verbreiterten das „Eichenblatt-" (eserlsveles), „Stern-" (csillsAvs), „Hufeisen-" (patküs),
„Tulpen-" (tulipänos), „L-förmige" (seses), „Schnecken-" (csiZäs) uud „Apfel-" (ulmäs)
Muster. Letzteres ist das Lieblingsmotiv der Frau Erzherzogin Maria Theresia, die schon
wiederholt größere Mengen von „almäs-Mnster" bestellt hat.
Die dritte Gruppe bildet die „weißliche" (lekeres) oder „durchbrochene" (va^ckaläsos)
Arbeit. Sie ist schwieriger und mühsamer als die übrigen Varrottas. Sie bildet eine außer-
ordentlich reiche Stickerei mit vielen Durchbrüchen. In dieser Näharbeit wird jeder Faden
der Flachstickerei gezählt und das heißt „gezähnt" (koxus); der durchbrochene Theil wird
„Ausfüllung" (tätes) genannt; noch andere Details beim „Weißlichen" heißen
,akas2talut°, ,s2urämu", „Hühnerauge" (tzmks^em), „Hinkemuster" (säntalüm),
„Soutache" (suAa). Mit letzterer wurden einst die Hemdärmel des Bräutigams uud das
„Brautlakeu" benäht. Die Motive heißen „Mohn-" (mäkos), „Bordüre-" (loglalüs),
„Würfel-" (koc?küs), „Teller-"(tün^eros), „Ellbogen-" skön^ükSg), „Abrnder-"(ubrucki)
und „Rössel- (puripäs) Muster". Allein die Zahl der Muster hat in neuerer Zeit noch
stark zugenommen, denn gerade das „Weißliche" wird jetzt auch mit Seide genäht. Und
wie sich aus der mannigfaltigen Zusammenstellung der alten Motive neue Muster ent-
wickelt haben, fanden sich für diese auch nene Namen und das Volk spricht jetzt schon von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch