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Mondesfinsternissen den Mond fressen. Der svlomonar treibt die Wolken zusammen
und bringt Hagelschlag. Der contra-solomvriar, der ihn dabei hindert, reitet auf
Drachen, die in irgend einem Teiche Hausen. Unter den zahllosen Figuren der
Märchenwelt sind auch noch die drachenartigen Gebilde der bälaur, ?meu u. s. w. zu
erwähnen.
Volksdichtung. — Die Volkspoesie der Rumänen ist in Vers (Lied,
Gesang, Ballade, Koliuda, Tanzreim, Zauberspruch) und Prosa (Märchen, Anekdote,
Sprichwort, Räthsel) gleich ergiebig. Der Rhythmus der Verse beruht auf dem Accent;
die Volkslieder beginnen meist mit der Formel: »krun^ä veräe« (Grünes Blatt).
Liebe, Leid, Trauer, Sehnsucht finden ihren Ausdruck im Lied; Spott, Witz,
Übermuth im Tanzreim. Von der Macht der Liebe heißt es im rumänischen
Volkslied?:
Mutter sagt, sie kann von Vielem, ^ Aber niemals von den Zweien:
Kann von Allem mich befreien, ' Meinem Liebchen und dem Tode.
Das Liebchen des rumänischen Burschen ist „aus der Souue herausgerissen" und
„schön wie das Kreuz". Die Liebende stößt oft Seufzer aus, wie diesen:
Onkel Johann, deinen Namen
Möcht' ich sä'n in jeden Garten,
Daß sein Dust sich all verbreite
Unter Mädchen, unter Bräme, Unier alle schönen Dirnen;
Fächelt dann auch mir die Stirne,
Läßt mich wohl vom Leid genesen,
Dessen Ursach' du gewesen.
Das Ideal des rumänischen Mädchens ist der Schafhirt (ciodan). In Liebe und
Haß ist sie gleich leidenschaftlich. Flüche und Verwünschungen spielen in diesen Gedichten
eine große Rolle. Ergreifend sind die Klagen über das Soldatenleben. Die Melodie ist
stets melancholisch.
Die Tanzreime werden von den Burschen nach dem Takte des Tanzes gerufen.
Sie geißeln meist die Schwächen und Verkehrtheiten, die in ihrer kleinen Welt vorkommen.
Beliebte Stichblätter sind der Pope und seine Gattin, der Cantor, der Richter, die faulen
Mädchen und übermüthigen jungen Frauen.
Pope fürchtet sich vorm Sterben,
Hält im Arm den Preseurakuchen, Prescura essen ist so herrlich,
's Sterben will er nicht versuchen.
Auch au Volksballaden ist Überfluß. Bezeichnenderweise sind die Stoffe und
Personen der Balladen balkanisch, nur bei wenigen ist uugarläudischer Ursprung nach-
weisbar. Einige haben mythologische Beziehungen (Sonne und Mond) oder entlehnen dem
Hirtenleben mystische Stoffe; das sind ohne Zweifel die ältesten. In den historischen
Balladen kämpfen die Helden gegen die Türken. Die berühmtesten Balladenhelden sind,
wie in Rumänien, die Türkenbesieger Novae und Marc.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch