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und Wehklagen umschlägt. Weuu sich die Trauernden einigermaßen beruhigt haben, gehen
sie sofort an die Vorbereitungen zur Beerdigung. Der Todte wird gewaschen und ange-
kleidet, sein Kinn aufgebunden. An vielen Orten wird dem Manne das Hemd angelegt,
das er bei seiner Trauung getragen, im Allgemeinen aber sein bestes Weißzeug. Die alten
Frauen machen sich oft schon lange vorher das schöne „Starwhamd" zurecht. Der Todte
wird in der größten Stube des Hauses aufgebahrt, und zwar mit den Füßen gegen die
Thüre. Seine Verwandten, Freunde und Bekannten besuchen ihn der Reihe nach nnd
bringen an manchen Orten auch Kerzen mit, die sie an der Bahre anzünden, nach kurzer
Zeit aber wieder auslöschen und als Geschenk ans einen Tisch legen. Auch die Todtenwache
ist gebräuchlich. Jedermann ist bestrebt, die Beerdigung möglichst glänzend zu machen.
Während der Trauerceremonie liegt die Leiche im Hofe, mit den Füßen gegen das Thor.
Die weiblichen Verwandten jammern laut, ja es kommt vor, daß sogar Klagefrauen
gemiethet werden. Nach der Bestattung findet ein Leichenschmaus statt, der aber immer
mehr außer Gebrauch kommt. Die ganze Nachbarschaft gibt dem Todten das Geleit auf
den Friedhof. War der Todte ein Bursche oder ein Mädchen, so nimmt die Bruderschaft
oder Schwesterschaft vollzählig an der Beerdigung theil.
Volkspoesie. — Trotz der praktischen, nüchternen Denkart, die der sächsische
Bauer nnter allen Umständen bekundet, und trotz der wenigen Spuren von Phantasie uud
Empfindungsreichthum, die sein Alltagsleben aufweist, ist die sächsische Volksdichtung
dennoch besonders an Märchen und Sagen ziemlich reich. Wie weit diese eigenes
Erzeugnis sind, ist allerdings nicht recht festgestellt, einen Theil aber, die älteste Schichte
derselben, haben sie sicherlich aus ihrer Urheimat mitgebracht. Dahin gehören wohl alle
Mären, in denen sich Spuren der germanischen Mythologie finden, so die Mär vom
„Rosenmädchen", worin verschiedene Züge an die Sage von Siegfried und Hilda erinnern.
Dieses ursprüngliche Material erweiterte sich später unter dem Einfluß einer fortwähren-
den Berührung mit der neuen, besonders rumänischen Umgebung, aber auch mit Deutsch-
land. Dem letzteren Schlage gehören die sehr zahlreichen Thierfabeln an.
Die Volkssagen sind meist zweifellos in der jetzigen Heimat entstanden, bei
anderen aber deuten gewisse Züge aus der germanischen Mythologie auf deutschen
Ursprnng hin. Es ist bezeichnend, daß mehr Sagen mit mythologischen Beziehungen
vorkommen, als mit historischen. Die letzteren knüpfen sich zum großen Theil an die
Einwanderung der Sachsen. Die Entstehung jeder Ortschaft beinahe hat zu einer solchen
Sage Anlaß gegeben. Auch das spätere Leben des sächsischen Volkes war bewegt genug,
um zahlreichen Sagen als Qnelle zu dieueu. Dazu kamen schließlich die Einfälle der
Türken und Tataren, sowie die Knrutzenkriege, mit ihren wechselvollen, meist traurigen
Ereignissen.
Ungarn VI. 30
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch