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das rechte Kokelufer übergeht, öffnet sich dem Blicke plötzlich der schönste Theil des
Thales und mitten darin ragt das theilweise hochgelegene Schäßburg empor. Das Kokelthal
erweitert sich hier nach Osten hin zu einen« weiten Becken, während es im Westen zwischen
Bergen eingeklemmt, nördlich aber von einer schönen Bergkette begrenzt ist, deren waldiger
Kamm nach Süden in reich mit Weingärten bekränzten Hängen abfällt, uud weiter östlich,
Weißkirch gegenüber, die kahlen Berge sich in scharfen Wellenlinien abzeichnen. Vor der
westlichen Gebirgskette erhebt sich ein kegelförmiger, von Südwest nach Nordost abgedachter
Bergvorsprung etwa 72 Meter hoch über das Niveau des Thales. Auf seinem Plateau
und seinen Abhängen ist ein Theil der Stadt erbaut, deren Hauptmasse aber in dem süd-
westlich ziehenden Thale lagert. Einzelne Häusergruppen sind dann noch in anderen Thal-
öffnungen uud über die benachbarten Berglehnen zerstreut. Auf dem kegelförmigen, aber
ziemlich langrückigen Gipfel steht, von Festungsmauern und -Thürmen umgeben, eine alte
Kirche. Die ganze Schönheit der Lage von Schäßbnrg erkennt man aber erst, wenn mau
hinter dem Bahnhof zum Landhause Villafranca im „Siechhof-Wald" hinaufsteigt und von
dort das Kokelthal sammt den Bergen der Umgebung überschaut.
Allem die Umgebung Schäßburgs erregt nicht mir das Interesse des Naturfreundes,
sondern auch das des Historikers und Militärs, denn es ist eine der geeignetsten
Vertheidigungsstellungen des Kokelthales nach Osten. Seine strategische Wichtigkeit war,
wie aus den Resten einer nahen römischen Niederlassung hervorgeht, schon von den
Römern erkannt und sie errichteten hier ein festes Standlager, vermuthlich zur Sicherung
der Militärstraße nach Apnlum (dem heutigen Karlsburg) gegen Angriffe vom Nordosten
her. Zur Zeit der sächsischen Einwanderung hielt Schäßburg — wie man aus dem System
sächsischer Befestigungen in der Umgebung schließen darf — durch diese Eigenschaften seiner
Lage einen größeren Schwärm der Einwanderer fest. Urkundlich erwähnt findet es sich
zum ersten Male im Jahre 1280 unter dem Namen ,eastrum Sex".
Wie unsere meisten Städte, ist auch Schäßburg in der Zeit zwischen der Thron-
besteigung Karl Roberts und der Mohäeser Niederlage zur Bedeutung gelangt. In dieser
Epoche erstanden seine Festungsmauern uud Basteien, die Bergkirche (1429—1524) und
der prächtige Stundthurm, eines der schönsten Bandenkmäler des Mittelalters. In der
Schäßburger Bergkirche bestätigten nnd erweiterten die Stände Siebenbürgens im Jahre
1506 die ini Jahre 1437 bei Käpolna geschlossene Union der drei Nationen. Im Jahre 1616
war Schäßburg der Schauplatz einer Verschwörung, an deren Spitze der Bürgermeister
Martin Oreud stand und deren Zweck war, Gabriel Bethlen, den übrigens der sächsische
Chronist „deu Herrn der Magyaren, den Frennd der Szekler und den Vater der Sachsen"
nennt, zu stürzen und deu Hermannstädter Bürgermeister Johann Rehner an seine Stelle
zu setzen. Das Ende des Anschlages war, daß Martin Orend als „Narr" auf der Repser
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch