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große technische Fertigkeit im Spinnen und Weben voraussetzen. Es ist daraus, wohl nicht
mit Unrecht, zuerst von einem kroatischen Kenner die Vermuthung abgeleitet worden, daß
die sogenannte nationale Ornamentik aller erwähnten Völker auf die jüngste gemeinsame
Cultur, nämlich auf die durch Byzanz vermittelte römische zurückzuführen sei. Die beste
Stütze dieser Ansicht sind die Graf'schen textilen Funde von El-Faijum aus römischer
Zeit, auf denen ganz gleiche Ornamente vorkommen. Die wichtigsten darunter sind wohl
die, in denen Anfangsbuchstaben griechischer Namen zu Ornamenten verarbeitet sind, ganz
in derselben Weise, wie auf den kroatischen und serbischen Teppichen, so daß man auch auf
diesen die Buchstaben I, X, 8, ü nachweisen kann. Das Vorkommen von Pfauen und
Granatäpfeln, diesen altchristlichen Symbolen, in der Ornamentik nordischer Völker, wo
diese Motive nicht aus der Naturanschauung geschöpft werden konnten, ist gewiß auch
eine wichtige Stütze dieser Annahme.
Einstens gab es in Croatien und Slavonien viele Holzhäuser mit reichen und
schönen Schnitzereien, besonders zahlreich in den Dörfern der Save-Niedernng. Heute sind
sie in Slavonien sehr selten geworden, während in Croatien noch viele, aber viel einfachere
zu finden sind. Freilich sind diese nicht so schön, wie die einstigen reichgeschnitzten Häuser
in Tovarnik, Erdevik (Erdöveg), Sid, Jlinci u. s. w.
Eine ganz eigenthümliche und interessante Abart von Hausfleiß, die der Kunst noch
näher steht als die in strammen Banden der Tradition gefesselte Stickerei, ist die Orna-
mentirnng von Flaschenkürbissen. Diese werden mit einer erstaunlichen Sicherheit gravirt.
Der Bauer formt sich ein kurzes Messer durch Schleifen zu einer Art von Grabstichel um
und ritzt damit gleich dem Kupferstecher in die harte Rinde des reifen, getrockneten
Flaschenkürbisses Ornamente ein. Sie sind mit bewunderungswürdiger Sicherheit und
Feinheit ausgeführt und werden stellenweise mit Scheidewasser gefärbt, die Linien aber
mit der in Ol getränkten Asche von Haferkörnern geschwärzt. Auf der Weide, wo
dergleichen Bequemlichkeiten nicht verfügbar sind, begnügt man sich mit dem fetten Färbe-
mittel, das sich unter den Nägeln und am inneren Hutrand angesammelt hat.
Man hat vielfach davon geträumt, daß sich aus all diesen künstlerischen Elementen
des Hausfleißes eine förmliche Hausindustrie entwickeln könnte, auch sind in dieser
Richtung redliche und wohlgemeinte Versuche angestellt worden, doch ohne Erfolg. Diese
Art künstlerischen Hausfleißes war die Blume des bäuerlichen Wohlstandes, der sich auf
die patriarchalische Hauseommunionswirthschaft gründete. Eine Hausindustrie bei der
Jndividualwirthschast ist nur dort möglich, wo sie im Anschluß an eine Fabriksindustrie
derjenigen Bevölkerung als Nothbehelf dient, die zu wenig Gelegenheit zu besserem Verdienst
hat. In Croatien und Slavonien kann noch jeder Bauer reichlich Arbeit finden, als freier
Eigenthümer oder als Knecht, Arbeit, die ihm besser bezahlt wird als die der Hausindustrie.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kroatien und Slawonien, Volume 24
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Kroatien und Slawonien
- Volume
- 24
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.19 x 22.65 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch