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Die Agramer Handelsleute bezogen fremde Märkte immer in größeren Gruppen,
da sie gegen räuberische Überfälle auf der Hut sein mußten. Übrigens bildete ja das
Vereinswesen schon im Mittelalter die Grundlage alles Culturlebens. Verbrüderungen
und Genossenschaften (kalendmum oder eonkraternitas) kommen in Agram schon in
der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts vor und aus ihnen entwickelten sich
hundert Jahre später die Zünfte, deren es in Agram sehr viele, und mit großen
Privilegien, bis ins XIX. Jahrhundert herein gab. Die Zünfte beruhten auf derselben
ökonomischen Grundlage wie anderwärts, und hatten einen ausgeprägt religiösen
Charakter, was schon daraus hervorgeht, daß sie ihre Zunftfahnen in der Pfarrkirche
zum heiligen Marcus stehen hatten und allen Kirchenfesten und Processionen in corpore
beiwohnen mußten. Noch im XVIII. Jahrhundert hatte sich auf das gegebene Glocken-
zeichen von jeder Zunft ein Mitglied in der Kirche einzufinden und aus diesen wählte
sich der Priester drei Männer, die ihn mit dem Hochwürdigen zu den Schwerkranken
begleiteten.
Verwaltung und Gerichtswesen Agrams waren sowohl im Mittelalter, als auch in
der Neuzeit bis zum XIX. Jahrhundert ebenso primitiv und patriarchalisch eingerichtet
wie anderwärts. Die Capitelstadt erfreute sich als Bischofsstadt seit der Begründung des
Bisthums, Gradec aber, seitdem es durch Bela IV. zur königlichen Freistadt erhoben
worden (1242), einer weitgehenden Autonomie, die aber am Ausgange des Mittelalters
gewiß noch viel umfassender war, als in der Gegenwart. Sowohl die Verwaltung als
auch die Gerichtsbarkeit in Gradec lag in den Händen des Jahr um Jahr von allen
unbescholtenen Bürgern frei gewählten Stadtrichters (juäex), der Geschwornen Huruti)
und der Stadträthe (consilisrü). Der gewählte Stadtrichter wurde dann vom König
bestätigt.
Mitunter kam es vor, daß sich der Bauus in die Gerichtssachen der Stadt
einmischen wollte oder daß die Krone den Stadtrichter ernannte; allein da erhob
sich in der Bürgergemeinde sofort eine solche Opposition gegen jeden Versuch einer
Schmäleruug der städtischen Autonomie, daß der König und der Banns fortan die
Stadtrechte respectirten. Die Grundlage alles öffentlichen Rechtes in Agram bildeten
die beiden großen Bullen König Belas IV. (von 1242 und 1266) und die „Rechtsgebräuche
des Königreiches Slavonien". Das Duell war als sogenanntes Gottesurtheil beim
gerichtlichen Beweisverfahren schon durch die goldene Bulle vom Jahre 1242 ausge-
schlossen. Im Übrigen wurde das größte Gewicht auf die Zahl der unbescholtenen Zeugen
gelegt. Fast für jedes Vergehen und Verbrechen war es bestimmt, wie viele unbescholtene,
das Agramer Bürgerrecht genießende Zengen nothwendig seien, um die Schuld zu
erweisen oder die Klage zu entkräften.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kroatien und Slawonien, Volume 24
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Kroatien und Slawonien
- Volume
- 24
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.19 x 22.65 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch