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Die einzige Entschuldigung dafür, daß er sich mit der
D. überhaupt einließ, ist, daß er damals erst 21 Jahre alt
und ganz unerfahren war; es ist notorisch, daß er nicht
ihr erster Geliebter gewesen ist, daß von
einer Verführung seinerseits daher nicht die Rede sein
kann. Er lernte sie als eine auf freien Füßen stehende, sich
für das Theater vorbereitende, durchaus nicht geldbedürf-
tige Dame kennen. Zu einer Verabredung, daß er
sie als seine Mätresse aushalten wolle, ist es nie gekom-
men, im Gegenteil hat er ihr mündlich und schriftlich
wiederholt, daß er minderjährig und ohne eigenes Ver-
mögen sei.
Wie sollte er Geld haben, da er als Freiwilliger von
mir nur fl. 1200 im Monat erhielt und nach dem Frei-
willigenjahr nur mehr fl. 100? Auch habe ich einen von
mir Ende Oktober aufgefangenen Brief von ihr an meinen
Sohn in Händen, in welchem es ausdrücklich heißt, sie
brauche kein Geld und als ich ihr damals fl. 400.— an-
tragen ließ, damit sie abreise, da wies sie dieses Geschenk
stolz zurück. — Siekanndahernichtmittellos
gewesen sein.
Als sie sich schwanger fühlte,
glaubte mein Sohn ihr ein Papier ausstellen zu sollen, in
welchem er sich zur Vaterschaft bekannte und ihr zu ver-
sprechen, sie und das Kind nicht zu verlassen, und da,
wenn damit Geldunterstützung zur Sustentation des Kin-
des gemeint war, so konnte mein Sohn das versprechen,
weil er von mir mit Recht erwartete, daß ich ihm zur
Erfüllung dieser Pflicht behilflich sein würde, eine andere
Hilfe konnte nicht gemeint sein, da sie selbst in ihrer
letzten Schrift und in Briefen zugibt, daß ein Ehe-
versprechen nie stattgefunden hat.
Ich erfuhr den ganzen Zusammenhang dieses Liebes-
verhältnisses in der Mitte Oktober 1881 und von der Zeit
an hat er sie nie mehr gesehen, weil ich es
zu verhindern wußte und ihn nach Böhmen auis
Land anfangs Jänner 1. J. expedierte, sobald ich ihre
Rückkehr aus Florenz, wohin sie Ende Oktober gereist
war, erfahren hatte.
Vor seinem Abgang nach Böhmen, also 2V2 Monate vor
Geburt des Kindes, bat mich mein Sohn instän-
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Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Title
- Kronprinz Rudolf
- Subtitle
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Author
- Julius Szeps
- Publisher
- Rikola Verlag
- Location
- Wien - München - Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.6 x 19.54 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Habsburger, Österreich-Ungarn, Monarchie
- Categories
- Geschichte Vor 1918