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sende fleiĂźige und nĂĽtzliche Frauen sehen mit Kummer
und Sorge der Stunde ihrer Entbindung entgegen, nehmen
sich das Leben oder werden zu Mörderinnen ihrer eigenen
Kinder aus Hunger und Nahrungssorge, und da sollte das
Volk in freudiger Stimmung sein, weil ein Frauenzimmer,
die zufällig einen gekrönten Tagdieb — dessen ganzes
Verdienst darin besteht, daĂź er nicht mit langen Ohren
und graubehaartem Fell zur Welt gekommen — geheiratet
hat und seit fast zwei Jahren schwanger sein soll? —
Lächerlich!
Genug der Worte ĂĽbef dieses Schmarotzergeschlecht,
wir haben es satt, noch länger viele Worte zu verlieren.
Was nützt uns das ganze Geschwätz dieser angeblichen
„Radikalen", dadurch kommen wir nicht aus der Klemme.
Sie sagen uns wohl was uns fehlt, aber wie wir uns helfen
sollen, sagen sie uns nicht. Mit den radikalen oder revo-
lutionären Phrasen wird uns ebensowenig geholfen als
durch die Wassersuppentheorie längst abgetaner Re-
formen.
Wir mĂĽssen uns selbst helfen!
Arbeiter! Männer des Volkes! Wacht auf und erhebt
Euch zur Tat! Unserer Blutsauger und UnterdrĂĽcker sind
eine Handvoll, während wir Legionen sind.
Man unterdrĂĽckt uns mit Gewalt, setzen wir der Gewalt
die Gewalt gegenĂĽber. Man ermordet unsere BrĂĽder in
den Gefängnissen (siehe Fischer in Prag, Schallinger in
BrĂĽnn), man preĂźt uns das Mark aus den Knochen und
wirft uns in Kerker, wenn wir uns darĂĽber mucksen. Da
müssen wir mit allen Waffen kämpfen, um erlöst zu
werden. Fangen wir bei den ärgsten Schurken an, den-
selben ihren längst verdienten Lohn zu geben.
Lieber bald sterben und das Volk von solchen Krea-
turen befreien, als elenderweise als Feiglinge zugrunde
zu gehen und unseren Kindern ein schmähliches Joch der
Sklaverei zu hinterlassen.
Jeder, der sich entschlossen hat zu handeln, der handle
selbst und verlasse sich auf niemanden. Nur dann, wenn
die Hilfe eines Zweiten oder Dritten unbedingt notwendig
ist, vereinige er sich mit einem anderen oder mehreren.
Wer keinen findet, auf welchen er sich vollständig ver-
öl
Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Title
- Kronprinz Rudolf
- Subtitle
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Author
- Julius Szeps
- Publisher
- Rikola Verlag
- Location
- Wien - MĂĽnchen - Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.6 x 19.54 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Habsburger, Ă–sterreich-Ungarn, Monarchie
- Categories
- Geschichte Vor 1918