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480 Die heilige Dorothea, Jungfrau und Martyrin.
ihr sprach: „Was veranlaßt dich, solche Freude zu heucheln, und
dich, da du hart gepeiniget wirst, auf lügenhafte Weise so vergnügt
zu stellen?" Sie antwortete: „Noch nie in meinem ganzen Leben
ward ich so innig erfreut, wie ich es heute bin, weil ich dem arg-
listigen Feinde die Seelen meiner Schwestern entliffen, und sie Jesu
Christo wieder gewonnen habe. Ein herrliches Freudenmahl wird
heute im Himmel gefeiert. Die Engel jubeln, die Erzengel froh-
locken, alle Apostel, alle Märtyrer und alle Propheten erfreuen sich.
Statthalter! Zögere doch nicht, auch mich zu vollenden, damit ich
an der himmlischen Freude Theil nehmen, und bald in der Gesellschaft
derer frohlocken möge, mit denen ich hier so bittere Thränen geweint
habe." Sapricius ließ die Folter fortsetzen, und die Seiten der
standhaften Jungfrau mit Fackeln brennen. Sie behielt in der schmerz-
lichsten Qual frohen Muth. Endlich sprach er das Urtheil der Ent-
hauptung über sie aus. Als Dorothea es vernommen hatte, rief
sie mit lauter Stimme: „Bräutigam meiner Seele, Jesus Christus!
ich danke Dir, daß Du des Paradießes und deiner seligen Gemein-
schaft mich würdigest." Da man sie von dem Gerichtsplatze weg-
führte, sprach ein Rechtigelehrter, Theophilus mit Namen, spottend
zu ihr: „Ei, du Braut Christi! schicke mir aus dem Paradieße dei-
nes Bräutigams einige Aepfel und Rosen." Worauf sie erwiederte:
?,Ich werde es thun." Da sie an dem Orte, an welchem sie hin-
gerichtet werden sollte, ankam, verlangte sie von dem Scharfrichter
die Erlaubniß, einige Augenblicke noch bethen zu dürfen. Nachdem
sie das Gebeth vollendet hatte, stand ein holder Knabe neben ihr,
welcher in einem Schnupftuche drei Aepfel und drei Rosen hatte.
Diesen bat sie, die Aepfel und die Rosen dem Theophilus zu brin-
gen, und ihm zu melden, daß Dorothea ihm selbe auf sein Ver-
langen übersende. Und nun hielt sie freudig dem Scharfrichter ihren
Nacken zur Enthauptung dar.
Eben erzählte Theophilus unter bitterem Gespötte seinen Amts-
genossen, was er zu Dorothea gesprochen, und was diese ihm ver-
heißen habe, als der vorerwähnte Knabe zu ihm kam, und die Aepfel
und Rosen ihm übergab, mit den Worten: „Sieh, auf dein Ver-
langen sendet dir die nun verherrlichte Dorothea, wie sie es dir
versprochen hat, Aepfel und Rosen aus dem Paradieße ihres Bräu-
tigams." Betroffen stand Theophilus da, anstaunend die ungewöhn-
liche Schönheit der Aepfel und der Rosen. Endlich ging ein helles
Licht in seiner Seele auf. Mit heftiger Stimme rief er: „Christus
ist der wahre Gott; der Glaube an Ihn ist keine Täuschung!" Seine
Amtsgenoffen, die um ihn herumstanden, sprachen: „Theophile! ent-
weder rasest du, oder du scherzest!" „Keines von beiden!" erwiederte
er. „Meine Vernunft nöthiget mich zu glauben, daß Jesus Christus
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 1
- Title
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Subtitle
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Volume
- 1
- Author
- Anton Mätzler
- Publisher
- Landshut Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 1840
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.8 x 16.9 cm
- Pages
- 900
- Keywords
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen