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Am 13. März. 771
mit seiner Gnade, mit der sie getreu mitwirkte, und daher geläutert,
wie das reinste Gold, aus der Feuerprobe hervorging. Sie entdeckte
den gefahrvollen Kampf ihrer Oberin; und daran that sie sehr gut;
denn einerseits erhielt sie von der klugen und erfahrnen Oberin heil-
same Lehre, Tröstung und Aufmunterung; andererseits war selbst
diese Aufdeckung ihrer Schwachheiten eine Uebung der tiefsten De-
muth, und diese gefällt dem Herrn: „Dem Demüthigen gibt Er
seine Gnade." Wahrend der Zeit des heißen Kampfes mit dem
Feinde ihres Heils verdoppelte sie ihre Arbeiten, ihr Gebeth und ihr
Fasten. Der strengen Abtödtungen ungeachtet, verwelkte nicht ihr
blühendes Aussehen und ihre Wohlgestalt. Viele ihrer Mitschwcstern
waren geneigt, diese Erscheinung für ein beständiges Wunder zu hal-
ten. Andere dagegen ließen sich von niedriger Eifersucht, und von
dem argen Neide gegen sie, ihrer Tugend wegen, bcschleichcn. Ei-
nes Tages machte ihr eine derselben, Germana mit Namen, viele
Vorwürfe, und hieß sie unter anderm eine Heuchlerin, die nur darum
so viele Strenghciten ausübte, um mit der Zeit die Oberin des Klo-
sters zu werden. Ganz gelassen erwiederte Euphrasia: „Unsere Obe-
rin hat einer jeden aus uns befohlen, daß wir soviel arbeiten, und
soviel fasten sollen, als es unsere Kräfte erlauben; es ist also meine
Schuldigkeit zu thun, soviel ich kann." Dann warf sie sich der
aufgebrachten Schwester zu Füßen, bat sie um Vergebung, und um
ihr Gebeth. Die Oberin erfuhr den Vorfall, gab der Germana
einen nachdrücklichen Verweis, und schloß sie zur Strafe auf einige
Zeit von der Gesellschaft ihrer Mitschwestern aus; Euphrasia bat
aber so lange und so inständig für sie, bis ihr die Strafe von der
Oberin nachgelassen wurde. So zeigte die heilige Jungfrau, daß
sie voll von jener heiligen Liebe sey, von welcher der heilige Paulus
schreibt: „Die Liebe ist geduldig, ist langmüthig, ist gütig; die Liebe
beneidet nicht, handelt nicht leichtsinnig, sie ist nicht aufgeblasen, sie
handelt nicht unanständig, sie ist nicht eigennützig, sie geräth nicht
in Zorn, sie denkt nichts Böses, sie erfreuet sich nicht über die U.i-
gerechtigkeit, erfreuet sich aber über die Wahrheit, sie leidet alles,
sie glaubet alles, sie hofft alles, sie überträgt alles. (1 . Kor. 13.)
Die heilige Euphrasia wurde von Gott mit der Wundergabe be-
gnadigt. Mit gutem Grunde mag man auch ihr ganzes Leben ein
immerwährendes Wunder der Demuth, des Gehorsams, der Keusch-
heit, der Abtödtung und der Liebe nennen. Sie war dreißig Jahre
alt, als sie von Gott um das Jahr 410 zur ewigen Belohnung
gerufen wurde.
Nicht allein die Gott geweihten Jungfrauen, sondern alle Chri-
sten sollen ihrem Herzen tief einprägen die Worte der heiligen Eu-
phrasia: „Ich gehöre Jesu Christo an, und kann mich also keinem
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Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 1
- Title
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Subtitle
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Volume
- 1
- Author
- Anton Mätzler
- Publisher
- Landshut Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 1840
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.8 x 16.9 cm
- Pages
- 900
- Keywords
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen