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54 Der heilige Servulus, ein Bettler.
indem er also erzählt: „An dem bedeckten Wege, auf welchem man
zur Kirche des heiligen Clemens geht, war ein Mann, Servulus
mit Namen, den viele von euch, wie ich, gekannt habcn, der, arm
an Gütern und reich an Verdiensten war, dessen langwieriges kör-
perliches Leiden der Tod endlich vollendete. Von seiner Kindheit an
bis zu seinem Tode war er gichtbrüchig. Wie soll ich die Größe
der Leiden eines Mannes schildern, welcher nicht stehen, im Bette
sich weder aufrichten, noch sitzen, nie eine Hand zum Munde hin
bewegen, und nie auf die andere Seite sich wenden konnte. Er
ward gepflegt von seiner Mutter, und von seinem Bruder. Diesen
übergab er das Almosen, welches er von wohlthätigen Menschen
empfangen hatte, und ließ sie das, was über den nochdürftigcn Un-
terhalt übrig blieb, an andere Arme vertheilen. Er konnte nicht
lesen, kaufte sich aber doch die heiligen Schriften, und bat, so oft
eine Gelegenheit sich darbot, gottcsfürcht>ge Menschen zu sich, daß
sie ihm dieselben vorlesen sollten. Auf diese Weise erlangte er eine
vollkommene Erkenntniß des Inhaltes der göttlichen Bücher. Wäh-
rend seiner schmerzlichen Leiden hörte er nicht auf, Gott dankbar zu
preisen durch Lobgesänge bei Tag und bei Nacht. Da die Zeit sich
näherte, daß seine so große und ausharrende Geduld belohnt wer-
den sollte, warf der Schmerz von den äußern Gliedern sich auf die
edleren Lcbcnsthcile, und als er sich dem Tode schon sehr nahe fühlte,
hieß er die Fremdlinge, die er eben gastfreundlich in seiner Wohnung
beherbergte, aufstehen, und mit ihm Psalmen zum seligen Ausgange
aus diesem Leben singen. Schon sterbend stimmte er noch mit ein
in den Gesang, den er aber auf einmal unterbrach, indem er mit
heftiger Anstrengung rief: „Schweiget! Höret ihr nicht die Lobge-
sänge, die vom Himmel herab erschallen?" Vertieft in den himmli-
schen Gesang, den sein innerer Sinn vernahm, gab er seinen Geist
auf. Auf einmal ward der Ort von einem solchen Wohlgeruche er-
füllt, daß die Gegenwärtigen auf eine unbeschreibliche Ncise erquickt
wurden, und die tröstliche Zuversicht erhielten, daß der entwichene
Geist, in die Seligkeit eingegangen sey. Unter den Anwesenden war
einer von unsern Brüdern, der jetzt noch lebt, und nie anders, als
unter Freudcnthränen bezeugt, daß jener Wohlgcruch sie so lange
ergötzt habe, bis der Leichnam beerdiget gewesen sey." Der Tod
des heiligen Servulus erfolgte gegen das Ende des sechsten Jahr-
hunderts.
Der Stand wahrer Armuth ist ein sehr ehrwürdiger Stand,
den der Sohn Gottes selbst durch sein Vorbild geheiliget hat.
Wahrhaft arm ist der, welchem die nöthigsten Lebensbedürfnisse man-
geln, und der dabei nicht im Stande ist, durch Fleiß und Arbeit
dieselben sich zu verschaffen. Ein Solcher macht mit Rccht Anspruch
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 2
- Title
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Subtitle
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Volume
- 2
- Author
- Anton Mätzler
- Publisher
- Landshut Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 1840
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.8 x 16.9 cm
- Pages
- 982
- Keywords
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen