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Kommunikation kann man als einen fortlaufenden Prozess der gemeinsamen Verständigung von zwei oder
mehreren Personen beschreiben (Clark & Brennan, 1996), in dem unterschiedliche Ziele erfüllt werden:
Personen entwickeln zum Beispiel einen Eindruck voneinander, tauschen sachbezogene oder emotionale
Information aus, koordinieren Arbeitstätigkeiten. Man kann Kommunikation als gemeinsames Handeln be-
schreiben, in dem die Kommunikationspartner/innen die Gesprächsinhalte und den Gesprächsverlauf koor-
dinieren. Sie versuchen kontinuierlich, eine gemeinsame Verständigungsbasis, einen „Common Ground“,
zu gewährleisten (Clark & Brennan, 1996). Dazu müssen sie sich an die Besonderheiten des jeweils ver-
wendeten Kommunikationsmediums (zum Beispiel Telefon, E-Mail, Videokonferenz) anpassen, sofern ein
solches zum Einsatz kommt.
Kommunikation in einer Videokonferenz und Face-to-Face-Kommunikation haben zunächst einige Ge-
meinsamkeiten: Sichtbarkeit, Hörbarkeit, Synchronizität (das heißt, ein Beitrag wird zur selben Zeit produ-
ziert, zu der er von den Kommunikationspartnerinnen und -partnern empfangen wird; dies trifft zum Bei-
spiel auf E-Mail nicht zu), Sequenzialität (das heißt, es bleibt die von den Sprechenden intendierte Abfolge
der Beiträge erhalten; dies trifft zum Beispiel auf Chats nicht zu, in denen auch gleichzeitig „geredet“ wer-
den kann). Dennoch unterscheidet sich die Videokonferenz- von der Face-to-Face-Kommunikation: So
fehlt die Kopräsenz, da sich die Kommunikationspartner/innen nicht denselben Raum teilen. Gerade dieses
Merkmal ist jedoch wesentlich für das Erfahren von emotionaler Nähe und sozialer Präsenz. Videokonfe-
renzen schränken zudem die Sichtbarkeit von Personen ein, wenn zum Beispiel in Desktop-Videokonferen-
zen nur ein Porträtausschnitt der Kommunikationspartner/innen auf dem Monitor angezeigt wird. Eine we-
sentliche Einschränkung der Sichtbarkeit betrifft die fehlende Möglichkeit, Blickkontakt herzustellen. Da-
mit fehlt ein wichtiges Mittel für die non-verbale Koordination der Abfolge von Gesprächsbeiträgen (Pa-
echter, Kreisler & Maier, 2010).
Diese Besonderheiten machen es notwendig, dass die Kommunikationspartner/innen ihr Verhalten an
das Setting „Videokonferenz“ anpassen. Dazu ein Beispiel: In einer Studie von Paechter, Kreisler und Mai-
er (2010) wurden über mehrere Teamtreffen hinweg die Kommunikation und die Leistung von Gruppen in
Videokonferenz- und Face-to-Face-Kommunikation untersucht. Achtundvierzig Teams zu je vier Personen
trafen sich dreimal entweder Face-to-Face oder in einer Videokonferenz und bearbeiteten komplexe Aufga-
ben. Alle Gruppenmitglieder sollten ihr Wissen austauschen, einen gemeinsamen Lösungsvorschlag entwi-
ckeln und sich auf diesen Vorschlag einigen. Bei der Analyse der Leistung zeigten sich keine Unterschiede
zwischen den Videokonferenz- und den Face-to-Face-Gruppen. Allerdings kommunizierten die Gruppen-
mitglieder in den beiden Settings unterschiedlich: Videokonferenzteams verbalisierten wesentlich häufiger
die Koordination der gemeinsamen Arbeit und die Ausführung der Aufgaben. Sie machten häufiger Äuße-
rungen dazu, welches Gruppenmitglied eine (Teil-)Aufgabe durchführt, über welches Wissen oder über
welche zeitlichen Ressourcen bestimmte Gruppenmitglieder verfügen. Dieses Ergebnis kann dadurch er-
klärt werden, dass in der Videokonferenz Mittel zur Gesprächskoordination, wie der Blickkontakt, nicht zur
Verfügung stehen, und eine verbale Rückversicherung über das gemeinsame Verständnis erforderlich ist.
Die Bedeutung der Koordination in Videokonferenzen wird durch weitere Studien bestätigt: In einer
Studie von Paechter, Maier und Macher (2010) wurde ein Training für das gemeinsame Arbeiten in Video-
konferenzen entwickelt und untersucht. Arbeitsgruppen lernten, die Koordination der gemeinsamen Arbeit
explizit zu verbalisieren, aufgabenbezogene Informationen im Gespräch wieder aufzugreifen und mit der
Aufgabe in Bezug zu setzen. In einer empirischen Untersuchung wurden Gruppen, die dieses Training er-
halten hatten, mit Gruppen verglichen, die kein Training erhalten hatten. Es zeigte sich, dass die Trainings-
gruppen bessere Leistungen bei der Aufgabenbearbeitung erzielten.
Auch wenn sich durch gezielte Trainings die Kommunikation in Videokonferenzen verbessern lässt, bleibt
die Frage offen, inwieweit die Kooperationspartner/innen über die notwendigen Fähigkeiten zur erfolgrei-
chen Bearbeitung kooperativer Lernaufgaben verfügen. Da dies oft nicht in ausreichendem Maße der Fall
ist, ist didaktische Unterstützung für das Lernen in Videokonferenzen notwendig. Es lassen sich verschie-
dene Arten der didaktischen Unterstützung des Lernens in Videokonferenzen klassifizieren, deren An-
wendung entweder vor oder während der Videokonferenz stattfindet und deren Fokus auf der Verbesserung
der Kooperation oder auf der Unterstützung der Inhaltsbearbeitung liegt.
Unterstützungsmöglichkeiten vor der Kooperation zielen darauf ab, die Lernenden besser auf die
Kooperation in der Videokonferenz vorzubereiten. Hierunter fallen die schon beschriebenen Trainings für
den Umgang mit der spezifischen Kommunikationssituation „Videokonferenz“, Kooperationstrainings und
das Zirkulieren von Agenden oder von Unterlagen zur individuellen inhaltlichen Vorbereitung (siehe dazu
auch den Teil „Leitfäden für erfolgreiche Videokonferenzen“).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569