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In den neueren Beiträgen zum Thema finden sich denn auch kaum Versuche,
die Besonderheit des erziehungswissenschaftlichen Zugangs zur Bildungsfor-
schung mit den spezifischen Methoden der Disziplin zu begründen. Eine Aus-
nahme stellt die These Knut Schwipperts dar, dass „die Stärke erziehungswis-
senschaftlicher Bildungsforschung in der Anwendung von Mixed-Methods als
state of the art“ liege (Schwippert 2016: 35). Dem gegenüber herrscht in der
sozial- und erziehungswissenschaftlichen Methodendiskussion allerdings
weitgehend Konsens, dass es keine an sich ‚guten‘ oder ‚schlechten‘ For-
schungsmethoden gibt, sondern dass über die Angemessenheit einer Methode
stets in Abhängigkeit von Gegenstand und Fragestellung entschieden werden
muss. Deshalb gilt auch für die von Schwippert favorisierten Mixed Methods,
dass es sich dabei nicht um eine per se ‚bessere‘ Vorgehensweise handelt, son-
dern dass in jedem Fall mit Blick auf Fragestellung, Zielsetzung, Theorierah-
men und Gegenstandskonstitution begründet werden muss, warum ein For-
schungsvorhaben ein multimethodisches Vorgehen benötigt (vgl.
Helsper/Kelle/Koller 2016: 744f.).
Einen anderen Akzent setzt der Beitrag von Frank Beier, der dem „Theorie-
Empirie-Problem der qualitativen Forschung in der Pädagogik“ gewidmet ist
(Beier 2018). Aus der kritischen Feststellung, die qualitative erziehungswis-
senschaftliche Forschung habe ihre Methoden und damit auch ihre Gegen-
standskonstitutionen weitgehend aus der Soziologie übernommen, leitet er die
Forderung ab, „eigenständige qualitative Analysezugänge zu finden, die stär-
ker auf pädagogischen Gegenstandskonstitutionen beruhen“ (ebd.: 72). Abge-
sehen davon, dass Beier offenlässt, wie solche eigenständigen methodischen
Zugänge aussehen könnten, ist festzuhalten, dass es sich bei diesem Beitrag
nicht um die Beschreibung eines Ist-Zustands, sondern um eine Forderung an
die Methodenentwicklung handelt, die mit dem Stichwort der pädagogischen
Gegenstandskonstitution auf die im nächsten Abschnitt behandelte Bedeutung
„einheimischer“ Begriffe, Theorien und Perspektiven verweist.
Am aussichtsreichsten erscheint der Versuch, eine Eigenständigkeit der Er-
ziehungswissenschaft in methodischer Hinsicht zu begründen, wenn man da-
von ausgeht, dass sich die erziehungswissenschaftliche Bildungsforschung
durch ihren Methodenpluralismus auszeichnet – etwa im Unterschied zur Psy-
chologie, die sich weitestgehend auf quantitative bzw. hypothesenprüfende
Verfahren festgelegt hat und in der sich qualitative bzw. rekonstruktive Vor-
gehensweisen nicht oder nur in wenigen Randbereichen etablieren konnten.
Für die Erziehungswissenschaft ist hingegen zu konstatieren, dass ihre Bei-
träge zur Empirischen Bildungsforschung sich eines weiten Spektrums unter-
schiedlicher Methoden bedienen, das von quantitativen und qualitativen bzw.
rekonstruktiven Verfahren über deren Kombination in Triangulation oder
Mixed Methods bis hin zu Ethnographie, Diskursanalyse und den Vorgehens-
weisen historischer Bildungsforschung reicht.
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book Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Title
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Subtitle
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Authors
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Editor
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Size
- 14.7 x 21.0 cm
- Pages
- 190
- Category
- Lehrbücher