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155 | www.limina-graz.eu wie orientierende Tradition eines befreienden Gottes einbringt. Damit wird
zugleich die ReligionspÀdagogik bis in ihre grundlagentheoretischen Be-
grĂŒndungen angefragt. Das Desiderat des Pluralismusparadigmas besteht
in der UnterschÀtzung der Interdependenz von IdentitÀts- und Gerechtig-
keitsfragen, von Unterschiedlichkeit und Ungleichheit. Sich allein auf re-
ligiöse PluralitĂ€t, auf kulturelle IdentitĂ€ten, auf ethnische HintergrĂŒnde
oder auch auf sozial-ökonomische Ausgangslagen zu fokussieren, wĂŒrde
die vielfĂ€ltigen BezĂŒge nicht angemessen erfassen, aus denen heraus die
SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, aber auch die Lehrenden im Religionsunter-
richt je schon leben. Daher rĂŒckt der HeterogenitĂ€tsbegriff in den Fokus,
der freilich angesichts seiner angedeuteten Defizite als AufgeklÀrte Hete-
rogenitĂ€t fortzuschreiben ist. Eine solche Kategorie âAufgeklĂ€rter Hetero-
genitĂ€tâ versucht, den HeterogenitĂ€tsbegriff religionspĂ€dagogisch frucht-
bar zu machen (Walgenbach 2014, 23), ihn aber im RĂŒckgriff auf das Erbe
der Kritischen Theorie und der poststrukturalistischen Diskursanalyse im
Lichte einer alteritÀtstheoretischen Bestimmung religionspÀdagogischer
Grundlagentheorie kritisch fortzuschreiben (vgl. GrĂŒmme 2017, 63â170).
Diese kritische Fortschreibung erfolgt in zwei Perspektiven:
1. In selbstreflexiver Perspektive analysiert sie kritisch-kontextuell
eigene diskursive Praktiken bei der Verwendung des Begriffs âHe-
terogenitĂ€tâ. Sie zeigt auf, wie wir immer auch gerade im Willen zur
Anerkennung und WĂŒrdigung von bestimmten Gruppen im Reli-
gionsunterricht genau zu deren Typisierung beitragen. Dieses Reifi-
zierungsproblem ist in der InklusionspÀdagogik als Ressourcen-
Etikettierungsdilemma deutlich geworden und mĂŒsste in der Re-
ligionspĂ€dagogik noch stĂ€rker BerĂŒcksichtigung finden (GrĂŒmme
2017, 206â245).
2. In konstruktiv-hermeneutischer Perspektive liegt ihr Fokus dar-
in, die Aspekte von Gerechtigkeit und Anerkennung, von Differenz
und Gleichheit, von Macht und Verschiedenheit, von Ungleichheit
und Unterschiedlichkeit in gesellschaftskritischer und machtsen-
sibler Dynamik auf dem komplexen Feld religionspÀdagogischer
Theorie-Praxis-ZusammenhÀnge kritisch auf einander zu beziehen
(GrĂŒmme 2015, 15â50). Erst dies lĂ€sst beispielsweise die vielfĂ€ltigen
Bernhard GrĂŒmme | Religionsunterricht zwischen Macht und Bildung
Das Pluralismusparadigma unterschÀtzt die Interdependenz von IdentitÀts-
und Gerechtigkeitsfragen, von Unterschiedlichkeit und Ungleichheit.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 1:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 236
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven