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28 | www.limina-graz.eu in positives Recht erweist sich als notwendig, wie R. Alexy (Alexy 1999, 244–
264) zeigt:
1. Positives Recht bringt verbesserte Durchsetzungschancen mit sich.
Damit verbunden ist die Möglichkeit, unfaire Vorteile, die aus un-
moralischem Verhalten entstehen, mit einem grösseren Risiko aus-
zustatten.
2. Die Positivierung kann Probleme der Interpretation und der Konkre-
tisierung, die aufgrund des abstrakten Charakters der Menschen-
rechte auf der moralischen Ebene entstehen, durch geregelte und
kontrollierbare rechtliche Entscheidungsfindung lösen.
3. Die den Menschenrechten korrespondierenden Pflichten fĂĽhren zur
Konstituierung von staatlichen Organisationen, die diesen Pflichten
gewachsen sind.
Zur Positivierung der moralischen Menschenrechte in legale Menschen-
rechte besteht keine moralische Pflicht, weil die Moral selbst in ihrem Gel-
tungsanspruch genĂĽgt und nicht eine Erweiterung auĂźerhalb ihrer selbst,
nämlich im Recht oder in der Politik, sucht. In ihrer Geltung weiß sich die
Moral unabhängig von Recht und Politik. In ihrer Wirkung, d. h. zum Bei-
spiel in der Durchsetzung der Menschenrechte, ist sie auf Recht und Poli-
tik angewiesen. FĂĽr die Durchsetzung der Menschenrechte gibt sie jedoch
nur vor, dass diese im Einklang mit den Menschenrechten geschehen muss.
Dies beinhaltet auch Vorstellungen vom politischen und rechtlichen Sys-
tem. Das demokratische System ist hier zu favorisieren, da es im Einklang
mit den Menschenrechten der einzelnen BĂĽrgerin und des einzelnen BĂĽr-
gers eines demokratischen Rechtsstaates die Möglichkeit der Teilnahme
am politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess garantiert
und jedem Menschen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien eröffnet. Zwi-
schen Menschenrechten und Volkssouveränität besteht demzufolge ein
Verhältnis der gegenseitigen Voraussetzung.
Die Positivierung der moralischen zu legalen Menschenrechten vollzieht
sich in einem politischen Prozess, der von moralischen Verpflichtungen
(vgl. Tugendhat 1993, 350) oder von rationalem Eigeninteresse der Be-
teiligten (vgl. Lohmann 1999, 90–92) vorangetrieben wird. Mit diesem
zweckrationalen politischen Akt ist die Hoffnung auf verbesserte Durch-
setzungschancen der Menschenrechte, strukturierte Prozesse der Positi-
Peter G. Kirchschläger | menschenrechte, demokratie und religionen
In ihrer Wirkung ist Moral auf Recht und Politik angewiesen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven