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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
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Page - 91 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1

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91 | www.limina-graz.eu axel Bernd Kunze | staat – Identität – recht entweder durchsetzungsschwach und brüchig oder liefe Gefahr, totalitär zu werden. Denn eine Art ‚kosmopolitischer Leviathan‘ würde sowohl je- den Wettbewerb zwischen den Staaten – auch um die beste politische Kon- fliktlösung – ersticken als auch jede Möglichkeit zum Asyl rauben. Benedikt XVI. hat hingegen mit seiner Sozialenzyklika Caritas in veritate das bereits bei Johannes XXIII. zu findende Modell einer politischen Weltauto- rität zur Steuerung der Globalisierung ins Spiel gebracht, ohne allerdings angeben zu können, wie diese ihre Entscheidungen auch durchsetzen soll (vgl. Benedikt XVI. 2009, Abs. 67; erneut aufgegriffen in seiner Umwelt- enzyklika Laudato siʼ von Franziskus 2018, Abs. 175). Am Ende bliebe die Ge- fahr, dass doch nur ein Recht des Stärkeren gilt, ohne dass ein wirklicher Gewinn an rechtlicher und demokratischer Teilhabe erzielt würde. Denn wer immer mehr Entscheidungen in suprastaatliche Institutionen auslagert, läuft Gefahr, technokratische Strukturen zu stärken und die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger zu schwächen. Politische Entscheidungen würden sich in eine Grauzone verlagern, in der zunehmend Regierungen und Expertenzirkel miteinander verhandel- ten  – schon allein aufgrund einer fehlenden funktionsfähigen, nicht durch Sprachbarrieren beeinträchtigten weltgesellschaftlichen Öffentlichkeit. Das Sozialkompendium der katholischen Kirche formuliert es folgender- maßen: „Die politische Gemeinschaft findet in der Bezogenheit auf das Volk ihre eigentliche Dimension: […] Das Volk ist keine amorphe Menge, eine trä- ge Masse, die manipuliert und instrumentalisiert werden kann, sondern eine Gesamtheit von Personen, von denen jede einzelne […] die Mög- lichkeit hat, sich über die öffentliche Sache eine eigene Meinung zu bil- den, und die Freiheit, ihr eigenes politisches Empfinden zum Ausdruck zu bringen und es so zur Geltung zu bringen, wie es dem Gemeinwohl entspricht“ (Nr. 385). In der antitotalitären Tradition kirchlicher Soziallehre erscheint der Bezug auf das Volk an dieser Stelle nicht als Quelle eines problematischen Natio- nalismus, sondern als kritischer Topos gegen Versuche, die politische De- batte der Öffentlichkeit zu entziehen. Wer immer mehr Entscheidungen in suprastaatliche Institutionen auslagert, läuft Gefahr, technokratische Strukturen zu stärken.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
194
Categories
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