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Kurt remele | Christliche Kakistokratie
religiösen Landschaft Amerikas deutlich bewusst: In der NÀhe des Hauses
eines amerikanischen Kollegen und Freundes, in dem ich vor einigen Jah-
ren wohnte, befanden sich unterschiedliche christliche Kirchen, eine uk-
rainisch-orthodoxe etwa, eine evangelikale und eine römisch-katholische.
Aber es gab dort auch zwei Moscheen, ein Zentrum der Jains, einen mor-
monischen und einen buddhistischen Tempel. In Los Angeles gibt es ĂŒber
dreihundert buddhistische Tempel und mehr Varianten des Buddhismus
als in jeder anderen Stadt der Welt. Im Gegensatz zu Muslimen und Hindus
sind zwei Drittel der Buddhisten nicht Einwanderer aus Asien, sondern US-
amerikanische Konvertiten.
Die religiöse Landschaft Amerikas bietet auch eine Reihe von Religionen,
die in Amerika selbst entstanden sind: Neben den indigenen religiösen
Traditionen der amerikanischen Indianer sind vor allem die Mormonen
zu nennen, die Siebenten-Tags-Adventisten und die Zeugen Jehovas, die
Christliche Wissenschaft (Christian Science) und Scientology. Und trotz der
Dominanz eines politisch konservativen Christentums gibt es in den USA
einige Denominationen, die selbst ungehorsamen katholischen Priestern
als hĂ€retisch erscheinen wĂŒrden: liberale QuĂ€ker etwa, deren gottesdienst-
liche Treffen in Stille und ohne Programm ablaufen und die weder Riten
noch Geistliche kennen. Oder der unitarische Universalismus, der Weis-
heitslehren aus verschiedenen Traditionen aufgenommen hat und kein
verbindliches Glaubensbekenntnis kennt. Sowohl QuÀker als auch Unita-
rier zeichnen sich durch ihr starkes Engagement fĂŒr Frieden und soziale
Gerechtigkeit aus.
Mehr als die HĂ€lfte der amerikanischen Erwachsenen hat ihre Religions-
zugehörigkeit zumindest einmal in ihrem Leben geÀndert. Immer hÀufiger
wechseln Amerikaner allerdings nicht von einer religiösen Gemeinschaft
zu einer anderen, sondern zu gar keiner, sie werden zu â wie sie in den
USA genannt werden â Nones, zu Menschen, die bei der Frage nach ihrer
Religionszugehörigkeit ânoneâ (âkeineâ) ankreuzen. Die Nones sind die am
stĂ€rksten wachsende âreligiöseâ Gruppe der USA. Betrug ihre Zahl 1957 nur
3 Prozent der amerikanischen Bevölkerung, so ist sie laut einer im Mai 2015
veröffentlichten Studie des Pew Forum for Religion and Public Life auf knapp
23 Prozent angewachsen. Ein Teil der Nones bezeichnet sich als Atheisten
Mehr als die HĂ€lfte der amerikanischen Erwachsenen wechselt im Lauf
ihres Lebens die Religionszugehörigkeit, und immer hÀufiger wechseln
sie auch zu gar keiner Religion, sie werden zu Nones.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven