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Franz Gmainer-Pranzl | „... mit dem menschengeschlecht und seiner Geschichte wirklich innigst verbunden ...“
deren macht der von Lumen gentium 1 und Gaudium et spes 1–3 vorgestellte
sakramentale (und nicht nur ethische) Bezug der Kirche zur Welt deutlich,
dass die kirchlichen Appelle zu Frieden und Versöhnung sowie die dezi-
dierte Ablehnung von Rassismus, Ungerechtigkeit und Nationalismus im
Ansatz des kirchlichen Selbstverständnisses begründet sind. Eine natio-
nalistische Logik zersetzt die von der Pastoralkonstitution bezeugte „Ver-
bundenheit, Achtung und Liebe gegenüber der ganzen Menschenfamilie“
(GS 3) radikal und geht an die Substanz der kirchlichen Sendung, die sich
eben nicht nur an eine Gruppe oder Ethnie richtet, sondern prinzipiell an
alle Menschen. „Die Kirche verwirft folglich jedwede Diskriminierung oder
Misshandlung von Menschen, die um ihrer Rasse oder Farbe, ihres Standes
oder ihrer Religion willen geschieht, als dem Geiste Christi fremd“ (NA 5),
betont die Erklärung Nostra aetate – wie gesagt, nicht aus ethischen Erwä-
gungen, sondern aus fundamentaltheologischen Gründen. Eine Kirche, die
nationalistisch, sexistisch, rassistisch, xenophob etc. agieren würde, wäre
keine Welt-Kirche mehr, sondern eine Sekte. Im Begriff ‚Welt-Kirche‘
steckt allerdings ein Potential, das die Kirche enorm herausfordert; ‚Welt-
Kirche‘ zu sein heißt – im Sinn der theologischen Neuorientierung des
Zweiten Vatikanums –, eine Kirche aus der Welt (aus vielen Völkern) sowie
eine Kirche für die Welt (für die Menschen) zu sein. Eine so verstandene und
gelebte Welt-Kirche verfällt nicht einer identitären bzw. nationalistischen
Logik, sondern öffnet sich dem Anspruch von Globalität – und das heißt
theologisch: von Katholizität.
2. Universalität – eine Kirche aus der Welt
Mit Stolz wird seitens der katholischen Kirche immer wieder auf ihre
Universalität verwiesen; nahezu überall auf der Welt gebe es Gemeinden,
funktionierende Strukturen, Repräsentanten der Kirche sowie institutio-
nelle Sichtbarkeit. Diese internationale Präsenz ist durchaus zu würdigen,
und das weltweite kirchliche Netzwerk von Universitäten, Caritas-Orga-
nisationen, diplomatischen Vertretungen, Ordensgemeinschaften usw. ist
tatsächlich bemerkenswert. Diese Internationalität bzw. der institutionel-
le Zusammenhalt hat in Ländern, in denen es kaum zivilgesellschaftliche
oder staatliche Strukturen gibt, durchaus Stärken. Um ein aktuelles Beispiel
zu erwähnen: In der Demokratischen Republik Kongo kann die katholische
Kirche – auch mit Unterstützung aus anderen Ländern – als (regierungs-)
kritische Kraft in einer Weise auftreten, wie dies anderen Organisationen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 194
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven