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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
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26 | www.limina-graz.eu Richard Sturn | Generationengerechtigkeit, Generationenvertrag und Entsolidarisierung ihrem Alter von den Kindern erhalten zu werden. (Groß-)Familien sind der primäre soziale Ort der sozial-kulturell-biologischen Reproduktion und Institution von bedürfnisorientierter Ökonomie und solidargemeinschaft- licher Einkommensteilung zwischen mehr und weniger Erwerbs- bzw. Ar- beitsfähigen. Familien sind aber auch der primäre soziale Ort annähernd individualisierter Generationenverträge, wie sie im einleitenden Zitat aus King Lear zur Sprache kommen. Wie bei anderen Verträgen auch setzt die Durchsetzung der in ihnen verbrieften Ansprüche freilich ein Gefüge sozi- aler Institutionen und Machtbeziehungen voraus. Es liegt auf der Hand, dass die zumindest seit der römischen Antike gefor- derte Verknüpfung von Vertragsverhältnissen mit beidseitiger Freiwillig- keit hier nur in einem sehr eingeschränkten Sinn gegeben ist. Dies soll- te aber nicht in erster Linie im Sinne einer Entwertung der Überlegungen Schreibers verstanden werden, sondern eher als Relativierung der indivi- dualistischen Konnotationen, die mit dem Begriff Vertrag mitschwingen. Der Begriff Generationenvertrag (und auch die damit implizierte Assoziati- on kommutativer Gerechtigkeit) ist daher nur cum grano salis zu verstehen. Während der Begriff Gesellschaftsvertrag (unter artikulationsfähigen In- dividuen) als Denkfigur im Wege einer Als-ob-Konstruktion für bestimmte Fragen der politischen Theorie interessante allgemeine Einsichten liefern kann (obgleich er keine realistische Staatsbegründung liefert), ist die Rele- vanz des Begriffs „Generationenvertrag“ auf ganz spezifische Interpreta- tionsvarianten beschränkt – und droht außerhalb einer darauf basierenden Hermeneutik zur irreführenden Suggestion zu werden. In Großgesellschaften mit vergleichsweise hoher sozialer und geographi- scher Mobilität kann die Kernfamilie das Aufgabenspektrum einer Soli- dargemeinschaft nur mehr eingeschränkt wahrnehmen und bedarf des- wegen der Einbettung in größere Solidargemeinschaften. Tatsächlich hat sich die soziale Funktion der Familie im Entwicklungsprozess kapitalisti- scher Marktwirtschaften verändert. Öffentliche Institutionen übernahmen wesentliche Teile jener solidargemeinschaftlichen Funktionen und auch der Bildungsfunktionen der Familie (vgl. Sturn 2011b). Andererseits werden in der von selbst über alle Grenzen hinausdrängenden Marktgesellschaft potentiell immer mehr Funktionen als marktvermittelte Dienstleistung gehandelt, die am Markt zugekauft werden können, etwa Kinderbetreuung und Pflege. Gesellschaftsvertrag vs. Generationenvertrag
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
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