Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zeitschriften
LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Page - 43 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 43 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1

Image of the Page - 43 -

Image of the Page - 43 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1

Text of the Page - 43 -

43 | www.limina-graz.eu Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzĂ€hlen, um ihn zu verhindern „The alternative is to turn ourselves into fish“ „We keep thinking that the time will never come. The alternative is to turn ourselves into fish and live under water“. So reagierte 2007 der stellvertre- tende MinisterprĂ€sident von Tuvalu, Tavau Teii, auf die Aussicht, dass in den kommenden fĂŒnfzig Jahren der pazifische Inselstaat im Meer versin- ken könne.1 Nachdem zu Beginn dieses Jahrtausends immer klarer wurde, dass im Zuge der ErderwĂ€rmung der Meeresspiegel steigt und zugleich die Anzahl und Heftigkeit der StĂŒrme zunimmt (vgl. aktuell IPCC 2019), er- kannten kleine Inselstaaten, dass sich ihre Lage bald radikal Ă€ndern könn- te: vom SĂŒdseeparadies zur untergegangenen Insel. Seitdem kĂ€mpfen sie darum, dem Schicksal von Atlantis zu entgehen. Ihre Anstrengungen sind vielseitig. Einige Einwohner wandern nach Neu- seeland oder Australien aus und beantragen dort öffentlichkeitswirksam Klimaasyl. Andere nutzen die politische BĂŒhne, um auf das drohende Ver- hĂ€ngnis aufmerksam zu machen, und erzĂ€hlen den befĂŒrchteten eigenen Untergang. Sie schildern im Modus des Futurum exactum das Versinken der Insel und das Verschwinden der Menschen, ihrer Gemeinschaft, ihrer Lebensform, ihrer Sprache, ihrer Weltanschauung, um eben dieses Ereig- nis zu verhindern. Der Klimawandel ist die bekannteste Facette in einer Reihe gravierender globaler UmweltverĂ€nderungen, die sich im Begriff des AnthropozĂ€ns zu- sammenfassen lassen. GemĂ€ĂŸ dieser zunĂ€chst geologisch gefassten Hypo- these und inzwischen auch kulturgeschichtlich wirksamen Idee wird die seit der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren bestehende erdgeschicht- liche Epoche des HolozĂ€ns durch ein neues „Zeitalter des Menschen“ ab- gelöst, in dem die Menschheit einen wesentlichen Einfluss bei der Gestal- tung der ErdoberflĂ€che und der großen Stoffströme wie des Wasser- oder des Kohlendioxidkreislaufs ausĂŒbt. Wie das Eingangsbeispiel zeigt, muss die AnthropozĂ€nidee erzĂ€hlt wer- den, um Verbreitung, VerstĂ€ndnis und Zustimmung zu finden. Denn Er- zĂ€hlungen sind ein besonders gut geeignetes Mittel, um komplexe Sach- verhalte fĂŒr unterschiedliche Adressatengruppen verstĂ€ndlich darzulegen, die Dringlichkeit eines Anliegens deutlich zu machen und zum Handeln zu motivieren. ErzĂ€hlungen ĂŒber das AnthropozĂ€n bilden ein Medium, mit dem die moderne Gesellschaft ihre ReflexivitĂ€t bearbeitet, d. h. ĂŒber die Im „Zeitalter des Menschen“ 1 https://uk.reuters.com/article/ environment-tuvalu-dc/tuvalu- about-to-disappear-into-the- ocean- idUKSEO11194920070913 [22. Aug. 2019]. Inwiefern Inseln in- folge des Anstiegs des Meeresspie- gels tatsĂ€chlich versinken werden oder ob sich lediglich ihre KĂŒsten- linie Ă€ndert, wird aktuell erforscht; vgl. etwa Webb/Kench 2010; Kench/ Ford/Owen 2018. Auf alle FĂ€lle steigt die Gefahr starker Sturmfluten.
back to the  book Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1"
Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Limina