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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
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52 | www.limina-graz.eu Jochen Ostheimer | Den eigenen Untergang erzĂ€hlen, um ihn zu verhindern Szenarien einen bestimmten Zweck, sie werden praxisorientiert entworfen, sie sollen Zeit binden und rationales Handeln ermöglichen. Sie sind daher inhaltlich begrenzt, sie behandeln nur ein bestimmtes Handlungsfeld oder beachten nur ausgewĂ€hlte Parameter (vgl. etwa Kahn/Wiener 1967; Wilms 2006; Gabriel 2014). Mit Blick auf den Klimawandel sind exakte Prognosen aus verschiedenen GrĂŒnden nicht möglich. Eine Unsicherheit erwĂ€chst daraus, dass das Wis- sen ĂŒber das Klimasystem mitsamt den positiven und negativen RĂŒck- kopplungsmechanismen unvollstĂ€ndig ist und die verschiedenen Klima- modelle LĂŒcken aufweisen. Eine andere Art von Unsicherheit resultiert aus der VariabilitĂ€t der gesellschaftlichen Einflussfaktoren wie Bevölkerungs- wachstum, Wohlstandsentwicklung, VerĂ€nderungen im Lebensstil, tech- nische Innovationen usw. Daher wird in der Klimaforschung vielfach mit Szenarien gearbeitet. Auch wenn Szenarien hypothetische Modellwelten entwerfen und Reali- tĂ€tsnĂ€he somit nicht das entscheidende QualitĂ€tskriterium ist, erfasst man gerade nicht ihren spezifischen Charakter, wenn man sie als bloße Fiktion abtut. GemĂ€ĂŸ dem triadischen Modell von Iser ist das gelĂ€ufige Oppositions- verhĂ€ltnis zwischen dem Realen und dem Fiktiven durch ein Drittes, das Moment des ImaginĂ€ren, aufzubrechen. Fiktionale Texte, zu denen in ge- wisser Weise auch Szenarien zu rechnen sind, wiederholen nicht einfach die Wirklichkeit, d. h. die außertextuelle Welt, in dem Sinn, dass sie sie be- zeichnen, sondern bringen „ein ImaginĂ€res zur Geltung, das mit der im Text wiederkehrenden RealitĂ€t zusammengeschlossen wird“ (Iser 1991, 20; vgl. ebd. 18–51). Dadurch erhĂ€lt das ImaginĂ€re, das zunĂ€chst etwas Dif- fuses ist, eine Bestimmtheit und damit eine Eigenschaft, die der RealitĂ€t zukommt. Indem es so den Anschein des Realen gewinnt, vermag es in der Welt wirksam zu werden. Diese FĂ€higkeit entfaltet der Vorgang des Fingie- rens durch drei Akte: ̟ Jede Fiktion wĂ€hlt aus der Vielfalt an möglichen Umweltgegeben- heiten bestimmte Aspekte aus. Durch die Selektion wird eine be- stimmte Perspektive eingenommen und werden zugleich die jewei- ligen Bezugsfelder des Texts markiert und ausdrĂŒcklich gemacht. Szenarien entwerfen hypothetische Modellwelten, sind aber keineswegs bloße Fiktion.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
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