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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
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Page - 87 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1

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87 | www.limina-graz.eu Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg bei sich jedoch diese Handlungsoption von der vorigen Passage unterschei- det. Das Ziel bleibt es hier, den familiären Zusammenhalt zu bewahren. Ebenso beurteilt Yasin sein Bestreben, verstärkt nach Gemeinsamkeiten zu suchen, anstatt die bildungsbedingten Unterschiede hervorzuheben. Durch den Bildungsaufstieg habe er die Reife erlangt, eine Entfremdung vom Herkunftsmilieu zu verhindern: „Ich versuche immer, so Gemeinsamkeiten mit meiner Familie zu finden. Und versuche noch immer, nahe zu ihnen zu bleiben. […] Wenn ich mich jetzt ganz fremd fühlen würde, weil meine Eltern nicht diese  … weil es nicht wichtig für sie ist, zu studieren oder etcetera, dann würde ich mich vielleicht von ihnen distanzieren. Aber ich versuche immer, Gemeinsam- keiten zu finden. Deshalb mache ich das persönlich nicht. […] Sie haben es einfach nicht geschafft. Vielleicht haben sie schlechte Verhältnisse gehabt und sind dadurch nicht in die Schule gegangen. Und deshalb versuche ich, wie gesagt, Gemeinsamkeiten zu finden und nicht mich von meiner Familie zu distanzieren. Im Bereich Gedanken und so weiter  … Vielleicht haben wir andere Gedanken, aber wie gesagt, das ist meine Familie und diese Sachen muss man beiseitelassen und versuchen, Gemeinsamkeiten zu finden. Und diese Reife sollte ich zeigen, weil ich denke, dass ich eine halbwegs gebildete Person bin, und ich kann vielleicht an solche Sachen denken, aber die nicht.“ (Yasin, Z.  427–439) Yasin betont außerdem, dass es in der türkischen Kultur unüblich sei, sich von der eigenen Familie zu distanzieren, und dass dieser auch für Erwach- sene noch eine bedeutende Rolle zukomme, anders als bei vielen Österrei- cherInnen (vgl. Yasin, Z.  439–446). Es kann somit gezeigt werden, dass den herkunftsbedingten Identitäten der befragten Studierenden kein statisches Wesen zuzuordnen ist, sondern im Gegenteil, dass jene sich in einer Dynamik zwischen Herkunftsmilieu und Zielgesellschaft entfalten und von den Studierenden selbst als bikul- turell wahrgenommen werden. Die intermittierende Distanz zum Elternhaus verdeutlicht einen Effekt des Bildungsaufstiegs: Er kann einerseits als Faktor einer Verstärkung der Dif- ferenz (Transformationsprozesse hinsichtlich der eigenen Identität und damit verbundene Entfernung vom Herkunftsmilieu), andererseits als An- passung an die Mehrheitsgesellschaft verstanden werden, sofern insbe- sondere der soziale Aufstieg und das Erreichen von Wohlstand etc. unter den gegebenen Bedingungen stattfinden müssen. Der Versuch einer Auf- rechterhaltung der Beziehung zu den Eltern setzt eine Differenz zu ihnen voraus.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
222
Categories
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