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Ćenol YaÄdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
stimmt. Oftmals wird das Leben sogar deutlich intensiver nach religiösen
Haltungen ausgerichtet als im traditionsbewussten Elternhaus, das einer
vertieften Auseinandersetzung mit den Inhalten der Religion kaum nach-
kommt. In Bezug auf die Eltern ist auĂerdem festzustellen, dass sich die-
se sowohl in ihrem Einfluss als auch in ihrer AusĂŒbung und Vermittlung
traditionell geprÀgter oder religiöser Wertvorstellungen deutlich unter-
schiedlich zeigen.
Fazit
Im vorliegenden Beitrag wurden einige zentrale bildungsrelevante Res-
sourcen dargestellt. Diese können im Sinne Bourdieus als inkorporiertes
migrationsspezifisches kulturelles Kapital interpretiert werden. Daraus
lĂ€sst sich erschlieĂen, welches Engagement â in Form von Werten, Orien-
tierungen und Bildungsaspirationen â Familien an den Tag legen, um den
Bildungsaufstieg ihrer Kinder zu ermöglichen; allerdings spielen auch
auĂer familiĂ€re Ressourcen eine wichtige Rolle. Mit meiner Studie habe ich
die Absicht verfolgt, einen Einblick in die unterschiedlichen ErklÀrungs-
muster fĂŒr den Bildungsaufstieg der zweiten Generation tĂŒrkischstĂ€mmi-
ger Personen aus einem bildungsfernen Elternhaus zu geben. DarĂŒber hin-
aus wollte ich die daraus herleitbaren Konsequenzen des Bildungsaufstiegs
fĂŒr das VerhĂ€ltnis von IdentitĂ€t, Religion und Tradition analysieren.
Der Umgang mit der eigenen IdentitÀt, der Religion und der Tradition kann
als âUmarbeitungâ bzw. als âNeuschöpfungâ begriffen werden. Die elter-
lichen Lebensstile werden nicht einfach unverĂ€ndert ĂŒbernommen, son-
dern aufgrund der Generationsdynamiken, die mit einem Bildungsaufstieg
einhergehen, transformiert. Dabei ist zu berĂŒcksichtigen, dass familiale
Strukturen keine statischen Gebilde darstellen, sondern einem bestÀndi-
gen Wandel bzw. UmbrĂŒchen in Auseinandersetzung mit der Migrations-
gesellschaft unterliegen.
Somit ist der Prozess der Migration insgesamt als ein familiales Aufstiegs-
projekt zu verstehen, das sowohl den Wechsel des Lebensmittelpunkts der
Elterngeneration als auch die soziale MobilitÀt der nachfolgenden Gene-
ration beinhaltet: âDie geographische MobilitĂ€t der Eltern wird durch die
Der Umgang mit der eigenen IdentitÀt, der Religion und Tradition
kann als âUmarbeitungâ bzw. als âNeuschöpfungâ begriffen werden.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven