Seite - 91 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
Bild der Seite - 91 -
Text der Seite - 91 -
91 | www.limina-graz.eu
Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
stimmt. Oftmals wird das Leben sogar deutlich intensiver nach religiösen
Haltungen ausgerichtet als im traditionsbewussten Elternhaus, das einer
vertieften Auseinandersetzung mit den Inhalten der Religion kaum nach-
kommt. In Bezug auf die Eltern ist außerdem festzustellen, dass sich die-
se sowohl in ihrem Einfluss als auch in ihrer Ausübung und Vermittlung
traditionell geprägter oder religiöser Wertvorstellungen deutlich unter-
schiedlich zeigen.
Fazit
Im vorliegenden Beitrag wurden einige zentrale bildungsrelevante Res-
sourcen dargestellt. Diese können im Sinne Bourdieus als inkorporiertes
migrationsspezifisches kulturelles Kapital interpretiert werden. Daraus
lässt sich erschließen, welches Engagement – in Form von Werten, Orien-
tierungen und Bildungsaspirationen – Familien an den Tag legen, um den
Bildungsaufstieg ihrer Kinder zu ermöglichen; allerdings spielen auch
außer familiäre Ressourcen eine wichtige Rolle. Mit meiner Studie habe ich
die Absicht verfolgt, einen Einblick in die unterschiedlichen Erklärungs-
muster für den Bildungsaufstieg der zweiten Generation türkischstämmi-
ger Personen aus einem bildungsfernen Elternhaus zu geben. Darüber hin-
aus wollte ich die daraus herleitbaren Konsequenzen des Bildungsaufstiegs
für das Verhältnis von Identität, Religion und Tradition analysieren.
Der Umgang mit der eigenen Identität, der Religion und der Tradition kann
als ‚Umarbeitung‘ bzw. als ‚Neuschöpfung‘ begriffen werden. Die elter-
lichen Lebensstile werden nicht einfach unverändert übernommen, son-
dern aufgrund der Generationsdynamiken, die mit einem Bildungsaufstieg
einhergehen, transformiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass familiale
Strukturen keine statischen Gebilde darstellen, sondern einem beständi-
gen Wandel bzw. Umbrüchen in Auseinandersetzung mit der Migrations-
gesellschaft unterliegen.
Somit ist der Prozess der Migration insgesamt als ein familiales Aufstiegs-
projekt zu verstehen, das sowohl den Wechsel des Lebensmittelpunkts der
Elterngeneration als auch die soziale Mobilität der nachfolgenden Gene-
ration beinhaltet: „Die geographische Mobilität der Eltern wird durch die
Der Umgang mit der eigenen Identität, der Religion und Tradition
kann als ‚Umarbeitung‘ bzw. als ‚Neuschöpfung‘ begriffen werden.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven