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Edith Petschnigg | Generationen im jüdisch-christlichen Dialog seit 1945
„Es geht von Generation zu Generation, das finde ich wichtig und hoff-
nungsvoll“ (Interview Rudnick) – dieses Zitat der evangelischen Theologin
Ursula Rudnick, Geschäftsführerin und Studienleiterin des Vereins Begeg-
nung – Christen und Juden Niedersachsen, zur Internationalen Jüdisch-christ-
lichen Bibelwoche, einst Bendorf, heute Georgsmarienhütte, zeigt paradig-
matisch, dass der Generationenbegriff zur Analyse des jüdisch-christlichen
Gesprächs von zentraler Bedeutung ist. Der jüdisch-christliche Dialog an
der Basis nach 1945 ist kein statisches Geschehen, sondern ein dynami-
scher Prozess. Das Konzept der Generationen wird von DialogakteurInnen
vielfach genutzt, um den Wandel, den der Dialog in den Jahrzehnten sei-
nes Bestehens vollzog, beschreiben und verstehen zu können. Vorliegender
Beitrag möchte sich daher anhand des Generationenmodells auf die Spur
von AkteurInnen des Dialogs begeben und ihre jeweiligen, generationsspe-
zifischen Zugänge erhellen.
Zur Polyvalenz des Generationenbegriffs
In Anknüpfung an Kurt Lüscher lassen sich im Wesentlichen drei wissen-
schaftliche Generationendiskurse unterscheiden:
1. der genealogische Diskurs, der auf die menschliche Verankerung in
familiären Strukturen rekurriert und meist als der grundlegende an-
gesehen wird,
2. der pädagogische Diskurs, der sich auf die Vermittlung von Wissen
von Älteren an Jüngere bezieht, und
3. der soziokulturell-historische Diskurs, der die Verarbeitung von ge-
meinsamen Erfahrungen, insbesondere von prägenden Ereignissen
wie Krisen, Kriegen und kollektiven Traumata, zum Gegenstand hat
(vgl. Lüscher 2005, 54–56).
Der Begriff der Generation ist somit alles andere als uniform und ein-
dimensional. Seine Polyvalenz versucht Sigrid Weigel durch ein In-Bezie-
hung-Setzen von biologisch-demographischem Geschehen und kulturge-
schichtlichen Prozessen zu fassen:
„Insofern verbirgt sich im Begriff der Generation immer schon ein kom-
plexes Zusammenspiel von Natur und Kultur, markiert die Generation
doch die Schwelle zwischen Entstehung und Fortgang, zwischen Ab-
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven