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Johannes Thonhauser | Das Narrativ von Bedrohung und Widerstand
PliaĂnig muaĂ a amâl an ĂśvangĂślischer Bsitzer gwesn sein. Es hoaĂt,
die ÜvangÜlischen Bßacher warn obern Saustâll untern TÜnn verstÜckter
gwesn.â
Sâgg die Muater drauf: âMei Muater hât ihre BĂźacher, a die BuaĂroasn,
dÜ wr noch hâbm, âf der Radl weit untn in Feld in aner StoangrÜsl ghât.
Wia obm in Haus die Scheandarn âlls âbgsuacht hâmp, is sie untn ba der
StoangrĂśsl gekniat und hât aus der BuaĂroasn laut gebetet.â
âJââ, sâgg der Vâter, âman terf nit drauf dĂśnkn, wia sie Ęźn âltn Groamânn
in der NĂśring, wo mein Ăngge ângekaft hât, wia a Wild umanândergjâgg
hâmp und wia die Kinder gschrian hâmp, wia sie von der Muater wÜck
nâch Siebenbßrgen gliefert worn send, bloà weil die Leut ihrn luthrischn
Glaubm nit hâmp aufgebm wĂślln.ââ (Unterlercher 1975, 163)
Die in Oberkärntner Mundart aufgezeichneten Erinnerungen, die dem jun-
gen Unterlercher selbst als Kind erzählt worden waren, wurden vom Kärnt-
ner Volkskundler Oswin Moro 1932 als Buch herausgegeben. Sie erschienen
also â wohl nicht ganz zufällig â vor dem Hintergrund eines sich poli-
tisch radikalisierenden Zeitgeistes und am Vorabend der Etablierung des
so genannten âStändestaatesâ. Wie bei einem kollektiven Trauma, bei dem
âverschĂźttete Erinnerungenâ unter ähnlichen historisch-gesellschaft-
lichen Rahmenbedingungen wieder an die Oberfläche gelangen, gerieten
bald nach dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 solche âGegen-Erinnerun-
genâ zur bedeutenden Ressource einer âGegen-Identitätâ, die sich dem
erneut einsetzenden (Re-)Katholisierungszwang des autoritären âStände-
staatsâ widersetzte.
âDistinktiv gesteigerte Identität ist eine âGegen-Identitätâ (âcounter-
identityâ), eine Widerstandsbewegung. Gegen-Identitäten werden [âŚ]
gegen die dominierende Kultur ausgebildet und aufrechterhalten [âŚ].â
(J. Assmann 1992, 154)
Vor diesem Hintergrund muss auch, so eine weitere These dieses Beitrags,
der Ăźberaus starke Zulauf zur illegalen nationalsozialistischen Bewegung
im Kärnten des âStändestaatesâ gesehen werden. Gerade im katholisch
gestĂźtzten DollfuĂ-Schuschnigg-Regime sahen sich viele Sympathisan-
ten und Sympathisantinnen des Nationalsozialismus als rechtmäĂige
Widerstandsbewegung gegenĂźber einer erneuten Liaison von Staat und
Kirche, deren repressiver Katholisierungszwang gerade in den traditionell
Verschßttete Erinnerungen gelangen unter ähnlichen historisch-
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wieder an die Oberfläche.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven