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Anna-Christina Kainradl und Ulla Kriebernegg | „They say we messed it up. Killing the planet ...“
gehend, herausgearbeitet: jenes, der Generationengerechtigkeit insbe-
sondere in Fragen der gerechten Ressourcenverteilung behandelt, sowie
jenes, der die Verantwortung für Umweltschäden und daraus resultieren-
de Pflichten thematisiert. Durch die darauffolgende Bezugnahme auf die
fachwissenschaftliche, klimaethische Diskussion des Verursacherprinzips
wird die Problematik der ethischen Argumentation in der Kurzgeschichte
noch deutlicher und ihre möglichen Folgerungen hinsichtlich eines gesell-
schaftlichen Klima-Diskurses ĂĽberhaupt erst sichtbar.
Die narrativ-ethische Analyse wird dabei als eine mögliche Form der Inter-
pretation des Textes dargestellt und hilft, „Dimensionen des Textes selbst
zum Vorschein zu bringen und in eine Auseinandersetzung mit diesen Di-
mensionen zu treten“ (Haker 1999, 171). Der Vieldeutigkeit fiktionaler Tex-
te wĂĽrde es weder im Rahmen der Analyse einer narrativen Ethik noch der
Literaturwissenschaften entsprechen, den Text auf einfache Handlungs-
anweisungen oder -kritik zu reduzieren. Die Chancen, die sich in der Aus-
einandersetzung mit (fiktiver) Wirklichkeit fĂĽr ethische Ăśberlegungen er-
geben, wie beispielsweise die Konfrontation mit alternativen Handlungs-
und Argumentationsstrukturen (Lesch 2002, 237), werden in diesem Text
auch in ihren Anregungen fĂĽr den weiteren Klimadiskurs genutzt.
Das Genre der Dystopie bietet dabei aufgrund der fiktional-radikalen Zu-
spitzung in besonderer Weise Einsicht in normativ relevante Zusammen-
hänge (Lesch 2002, 231). Die Qualität der Dystopie kann gerade in einer
narrativ-ethischen Analyse dazu verleiten, „ohne eine normative Begrün-
dung vor Veränderungen zu warnen und so den eigenen Standpunkt osten-
tativ zu markieren“ (Hansen 2017, 308). Obwohl die Gefahr einer Reduk-
tion der dystopischen Erzählung auf eine Warnung oder Vorhersage einer
kritischen Zukunft besteht, kann der fiktionale Text und auch seine Ana-
lyse Potential dafür bieten, „sozial dichte Szenarien“ (Hansen 2017, 306)
zu thematisieren und Lesende dafür sowie für die Wirkmächtigkeit von
sprachlichen Bildern, auch in Verzerrung und Ăśbersteigerung, zu sensibi-
lisieren.
Für die Analyse der „Ethik im Text“ (Finnern 2016, 147) zeigen sich in Mar-
garet Atwoods Geschichte vielfältige Anknüpfungspunkte. Sie reichen von
Fragen der ethischen Dimensionen der Organisation des im Text präsen-
tierten Altersheims Ambrosia Manor bis zu Fragen nach der Legitimität des
Das Genre der Dystopie bietet in besonderer Weise
Einsicht in normativ relevante Zusammenhänge.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven