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Roberta Maierhofer | „Clash of Generations“ oder gelebte Intergenerationalität: Visages Villages (FR 2017)
daher auch die Chance auf ein grundlegenderes Verständnis der verschie-
denen Aspekte von Altern. Rosenmayr hält die Effekte einer – unter an-
derem durch das Gestalten von Authentizität motivierten – kulturell be-
werkstelligten Lebenskontinuität sogar für konstitutiv für das biologische
„Schicksal“ (vgl. Rosenmayr 1995, 21).
Zur kulturellen Konstituierung seiner Authentizität – und darin stimmen
der Philosoph Richard Rorty (1988) und der Soziologe Anthony Giddens
(1991) überein – verfügt das Individuum über die Möglichkeit des Erzäh-
lens, der narrativen Vergegenwärtigung seiner Gestaltung der Existenz.
Mit der sozialen Wahrnehmung dieser Erzählungen einher geht eine In-
dividualisierung der Gesellschaft und der Vorstellungen von Alter, was als
„paradoxer Zwang“ zur Herstellung, Selbstgestaltung und Selbstinszenie-
rung nicht nur der eigenen Biographie, sondern auch ihrer Einbindung in
Netzwerke von Präferenzen der Entscheidungen und Lebensphasen gese-
hen werden kann (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1993).
Die Chancen des Erzählens
Der „paradoxe Zwang“ führt dazu, dass alle Altersphasen, die chronolo-
gisch oft nur als Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, Alter benannt wer-
den, einem Prozess des Erzählens unterliegen, in dem die individuelle Ge-
staltung der Existenz vergegenwärtigt und im sozialen Kontext verhandelt
wird, um ein authentisches Lebenskontinuum zu schaffen. Wenn Alter/n in
der Matrix von Zeit und Erfahrung definiert wird, dann bestehen im „Er-
zählten“ durchaus vielfältige Unterschiede, wie diese Gegenwärtigkeit for-
muliert wird. Die Gemeinsamkeit jedoch liegt im „Erzählen“ – ganz allge-
mein verstanden als menschliches Gestalten eines erst zu bestimmenden
Zusammenhangs von Geschehnissen.
Alter/n fügt sich in diese Erzählung des Lebenskontinuums als eine zu ge-
staltende Dimension der Existenz ein. Das „Erzählen“ drängt Gesellschaft
und Individuum auf die Anerkennung der gestalterischen Verfasstheit der
Authentizität und der Repräsentativität kultureller Äußerungen. Letztere
sind durch ihre formale Beschaffenheit Vergegenständlichungen des „Er-
zählten“, durch ihre thematische Ausrichtung des „Erzählens“. Die Kul-
Erzählen als narrative Vergegenwärtigung
der Gestaltung der Existenz
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven