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Roberta Maierhofer | „Clash of Generations“ oder gelebte Intergenerationalität: Visages Villages (FR 2017)
das affichierte Foto betont: Die Frau in einem aufgelassenen Bergbaugebiet
verlässt ihr in die Jahre gekommenes Haus nicht, ihr Bild wird an die Haus-
wand geklebt, Frau und Haus zu einer lokal geäußerten Identität vereini-
gend. Auf Kesselwaggons schickt JR Fotos von den Augen und FĂĽĂźen Vardas
auf Reisen, die das „Publikum“ nicht mehr örtlich zuordnen und nur als
einen „augenblicklichen“ Eindruck aufnehmen kann.
Der Film macht die Beschäftigung mit dem Anfangen – der Zusammenar-
beit von Varda und JR – zum Einstieg in seine Welt. Dabei wird durch den
Kunstgriff, dass sprachlich und bildlich festgehalten wird, wo sie nicht
zueinander gefunden haben, auf die Vorsätzlichkeit sowohl der Zusam-
menarbeit als auch des Films verwiesen. Es ist ein Akt des Aufsuchens („du
kamst zu mir“), motiviert durch das Wissen um die Kunst des anderen, der
dann letztlich zum Film gefĂĽhrt hat. So entsteht aus dem bekannten Ver-
schiedenen etwas neues Gemeinsames, eine Beziehung zwischen zwei Ge-
nerationen und ein Film nicht zuletzt auch darĂĽber.
Varda ist – typisch für sie – vor und hinter der Kamera präsent, was ihr
eine Doppelrolle gibt: Sie erstattet Bericht und ĂĽber sie wird berichtet. Sie
begleitet JR, diskutiert mit ihm die Kunstaktionen, unterhält sich mit den
Leuten, was nach ihren Vorgaben dann auch gefilmt wird. Damit erfährt
das Publikum zwar viel ĂĽber die Kunstaktion, deren konkrete DurchfĂĽh-
rung – Fotografieren, Drucken, Aufkleben – von JR vorgenommen wird,
die aber doch auch geprägt von Vardas Perspektive darauf ist, was auch im
Film angesprochen wird. Dadurch rückt die Beteiligung der älteren Frau am
Projekt des jüngeren Kunstpartners in den Fokus – eine intergenerationale
Beziehung.
In einer Szene kommt dieser Aspekt einprägsam ins Bild: Für eine Affi-
chieraktion besteigen beide einen riesigen Tank über einen stiegenförmi-
gen Aufgang, JR in seinem Tempo, Varda in ihrem. Die unterschiedlichen
Geschwindigkeiten werden aber vom gemeinsam durchgefĂĽhrten Projekt
integriert. Das Kunstwerk macht den Katalysator fĂĽr die Integration von
gegebenen Unterschiedlichkeiten aus, da es in der Lage ist, die gemeinsame
Gegenwärtigkeit der Unterschiede – wie das Aufnehmen unterschiedlicher
Meinungen in einen Diskussionsprozess – zu äußern. Der eingangs des
Films gegebene Hinweis auf die Vorsätzlichkeit und die kommentierende
Begleitung der Darstellung sowie das Einbeziehen der „Dargestellten“ in
Es entsteht etwas neues Gemeinsames, eine Beziehung zwischen
zwei Generationen und ein Film nicht zuletzt auch darĂĽber.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 222
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven