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LIMINA 4:1 | Religiöser Fundamentalismus | Editorial
und versuchen sie oftmals unter allen Umständen zu verbreiten. Zuneh-
mend ist religiöser Fundamentalismus mit nationalistischen und rechts-
populistischen Bestrebungen verbunden. Ihre ideologische Basis enthält
viele ähnliche Elemente: Anti-Liberalismus, Anti-Pluralismus, teils auch
eine antidemokratische Stoßrichtung. Der gemeinsame Charakterzug von
Populismus und Fundamentalismus liegt darin, dass beide ihrem Wesen
nach rückwärtsgewandt sind, um ein enggeführtes Bild der Vergangenheit
als revolutionäres Programm zu etablieren. Sie wollen ein durch die Mo-
dernisierungsprozesse überholtes Gesellschaftsbild für die Zukunft kon-
servieren. Beide empfinden Veränderung als Bedrohung: Gewandelte ge-
schlechtliche Rollenbilder bedrohen beispielsweise die Männlichkeit, der
Gender-Diskurs die Geschlechterverhältnisse, die LGBTIQ-Gerechtigkeit
die Schöpfungsordnung etc.
Die Beiträge dieser Ausgabe lassen sich zwei unterschiedlichen Zugangs-
weisen zuordnen: einerseits einer geistes- bzw. religionsgeschichtlich und
sozialethisch ausgerichteten Analyse religiöser Theorien und Praktiken,
andererseits der unmittelbar theologisch und praktisch engagierten Kritik
an religiösen und politischen Programmen, die durch vernunft- und demo-
kratiefeindliche Identitätskonzepte sowie durch Allianzen mit illiberalen
politischen Strömungen und staatlichen Machtapparaten gekennzeichnet
sind. Für beide Zugänge gilt, dass die Auseinandersetzung mit fundamen-
talistischem religiösem Denken und Handeln ihrerseits keine wertneutrale
Position einnehmen kann und daher oft nicht bei einer reinen Analyse ste-
hen bleibt, sondern aus bestimmten Optionen heraus Stellung bezieht.
In den geistes- bzw. religionsgeschichtlich und sozialethisch orientier-
ten Diskursen, denen die ersten vier Beiträge dieser Ausgabe verpflichtet
sind, zeigt sich dies durch Differenzierungen zwischen unterschiedlichen
religiösen Offenbarungskonzepten, zwischen inklusiven und exklusiven
theologischen Grundpositionen, zwischen Vernunft- und Traditionsargu-
menten sowie zwischen universaler menschenrechtlich basierter Ethik und
partikularen kulturell oder religiös begründeten Moralsystemen.
Den Beginn macht Sonja Angelika Strube, indem sie die theologische Fun-
damentalismusforschung mit sozialpsychologischen Kategorien erweitert
und vertieft. Dies erlaubt die Offenlegung fundamentalistischer Haltungen,
die durch religiösen Exklusivismus gerechtfertigt werden, und ermöglicht
klärende Perspektiven auf unterschiedliche religiöse Stile innerhalb der
christlichen Kirchen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven