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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
Wahrheitsanspruch seiner jeweiligen Vertreter, zusammen mit einem eli-
tär-autoritären Erkenntnisideal und einem monistischen Totalitätsstreben
(vgl. Salamun 2005, 37-40). Religiösen Fundamentalismus gibt es in ver-
schiedenen Religionen, nicht nur im Islam, wobei der Islamismus derzeit
seine bedeutendste Erscheinungsform darstellt (vgl. Weiss 2013). Wenn
religiöser Fundamentalismus einen exklusiven Anspruch auf die Gestal-
tung der Gesellschaftsordnung erhebt, kann von religiösem Extremismus
gesprochen werden. Dieser kann, muss aber nicht gewalttätige Formen bis
hin zum Terrorismus annehmen. Fragen der Radikalisierung und der Aus-
prägungen des Extremismus wie auch seiner Bekämpfung sind Gegenstand
der Extremismusforschung (vgl. Berger 2019), auf welche hier nicht näher
eingegangen werden kann.
Radikale religiöse Erneuerungsbewegungen hat es immer wieder gege-
ben. Es kann somit verschiedene Formen des religiösen Fundamentalis-
mus geben, die nicht gewalttätig sein müssen. Ohne Zweifel bedroht er
in der Form der extremen und gewaltbereiten Varianten etwa des radika-
len oder extremen Islamismus Demokratie und Menschenrechte. Im Fall
eines gemäßigten Islamismus, der sich an die Gesetze hält, geht es hin-
gegen eher um die Gestaltung des Lebensbereiches der MuslimInnen nach
ihren religiösen Auffassungen, was mangels Akzeptanz zur Bildung von
Parallelgesellschaften führen kann. Dies ist politisch unerwünscht, aber
nicht verboten und kann auch eine Folge mangelnder Integration in die
Mehrheitsgesellschaft sein.
Auf internationaler Ebene ist eine Zunahme des religiösen Fundamentalis-
mus zu beobachten, der in verschiedenen Erscheinungsformen auftritt und
unterschiedliche Funktionen erfüllt. So trägt er einerseits als ethno- oder
nationalreligiöser Fundamentalismus zu internationalen und innerstaat-
lichen Konflikten bei, andererseits wird er von Regierungen zwecks Sta-
bilisierung ihrer Herrschaft eingesetzt. Dies gilt für den Konflikt zwischen
Indien und Pakistan bzw. innerhalb Indiens zwischen Hindus und Moslems
ebenso wie am westlichen Balkan, wo sich das katholische Kroatien oder
das orthodoxe Serbien als Bollwerk gegen den Islam verstehen. In Russ-
land wird die Orthodoxie zur Stabilisierung der Herrschaft von Putin eben-
so eingesetzt wie in den USA die evangelikalen Christen vom ehemaligen
Präsidenten Trump, auch wenn es hier natürlich große Unterschiede gibt,
International ist eine Zunahme des religiösen Fundamentalismus zu beobachten,
in verschiedenen Erscheinungsformen und mit unterschiedlichen Funktionen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven