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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
Generell wendet sich der islamische Fundamentalismus wie auch andere
religiöse Fundamentalismen gegen den Verlust der Transzendenz im Sä-
kularismus der Gesellschaft wie auch gegen den Verlust verbriefter Ge-
wissheiten und eine moderne, von vielen Einschränkungen befreite Moral
und Lebenspraxis, zeichnet sich dabei aber auch durch eine gewisse Ambi-
valenz, etwa in der Nutzung modernster Technologie, aus (vgl. Prisching
2005, 260).
Es liegt auf der Hand, dass bestimmte politische Formen des religiösen
Fundamentalismus eine Bedrohung der Menschenrechte, vor allem des
Rechts auf Religionsfreiheit, mit sich bringen. So führt der absolute Wahr-
heitsanspruch einer Religion zum Ausschluss, wenn nicht zur Bekämpfung
anderer Religionen, was an verschiedenen historischen und aktuellen Bei-
spielen religiöser Verfolgungen in Europa und weltweit gezeigt werden
kann. An die Stelle der Religionskriege der Vergangenheit treten heute auch
in Europa, etwa am Balkan, nationale und ethnische Konflikte, in denen die
Religion eine wichtige Rolle für die (nationale) Identität spielt. Aber auch
andere Menschenrechte, wie etwa die Rechte der Frau, das Recht auf Bil-
dung und auf freie Meinungsäußerung sind häufig betroffen. Das Recht auf
sexuelle Nichtdiskriminierung wird fast immer missachtet, die Ablehnung
gleichgeschlechtlicher Beziehungen ist mit dem religiösen Fundamenta-
lismus eng verbunden. Dieser verdankt seine Bedeutungssteigerung auch
der wachsenden Instabilität in den internationalen Beziehungen im Zuge
der Globalisierungskritik und des Verlustes des Vertrauens in eine libera-
le Weltordnung. Sicherheits- und Identitätsbedürfnis sowie die Sehnsucht
nach Gewissheiten führen zur Stärkung populistischer Strömungen und
des Fundamentalismus.
3 Populismus und Fundamentalismus
Populismus und Fundamentalismus sind eng verwandt. Populisten pola-
risieren, bieten vereinfachte Weltbilder, manchmal auch Verschwörungs-
theorien zur Erklärung komplexer Zusammenhänge, für Toleranz bleibt
kaum Raum. Das Beispiel Polens zeigt, wie ein national-religiöser Funda-
mentalismus zu Einschränkungen der Menschenrechte und Rechtsstaat-
Der absolute Wahrheitsanspruch einer Religion führt zum
Ausschluss, wenn nicht zur Bekämpfung anderer Religionen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven