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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
lichkeit fĂŒhrt, weil fĂŒr Andersdenkende oder Minderheiten wenig Raum
bleibt. Dies betrifft vor allem das VerfĂŒgungsrecht ĂŒber den eigenen Kör-
per, wie die Behandlung der Frage der Abtreibung oder nicht heterosexu-
eller Neigungen zeigt. Die Frage der Frauenrechte ist somit nicht nur im
islamischen Fundamentalismus ein Thema. Auch christliche LĂ€nder sind
vor Populismus nicht gefeit (vgl. Lesch 2017). So ist etwa die Ablehnung
der Aufnahme von FlĂŒchtlingen mit islamischem Hintergrund in einer sog.
âchristlichen Nationâ ein Beispiel fĂŒr einen Mangel an SolidaritĂ€t und Tole-
ranz bzw. fĂŒr Populismus (vgl. von Beyme 2019). Polen, aber auch Ungarn,
die sich gerne als âchristliche Festungenâ inszenieren, haben sich damit in
der europÀischen Wertegemeinschaft isoliert.
Der Populismus in seiner fundamentalistischen AusprÀgung fordert die
Menschenrechte, aber auch die pluralistische Demokratie heraus, indem
er Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Vorurteile verstÀrkt, Minder-
heiten stigmatisiert, die MeinungsĂ€uĂerungs- und Medienfreiheit ein-
schrÀnken und durch eine autoritÀre Herrschaft ersetzen will, die selbst
ĂŒber Gut und Böse entscheiden kann. Die EinschrĂ€nkung der Rolle zivil-
gesellschaftlicher Gruppen ist Teil dieser Strategie (vgl. MĂŒller 2017). Zu
letzterer Gruppe gehören auch MenschenrechtsverteidigerInnen, die sich
dem autoritĂ€ren Willen widersetzen und sich dafĂŒr als Extremisten oder
sogar Terroristen verunglimpfen lassen mĂŒssen (vgl. Alston 2017, 6).
Zu diesem Zweck wird die AutoritÀt der Menschenrechte untergraben und
die Rechte selbst werden relativiert, damit sie den kulturellen, religiösen
oder politischen Vorstellungen nicht im Wege stehen. Diese Methoden wer-
den schon lange von autoritÀren Regierungen angewendet, wobei in mus-
limischen LĂ€ndern der Islam als oberste AutoritĂ€t ins Feld gefĂŒhrt wird,
um etwa EinschrÀnkungen der Frauenrechte oder Scharia-Strafen, die im
Gegensatz zu den Menschenrechten stehen, zu begrĂŒnden (vgl. Benedek
2005, 296). BemĂŒhungen um islamische oder arabische Menschenrechts-
kataloge wie die Kairo-ErklÀrung von 1990 oder die Arabische Charta der
Menschenrechte von 2004 und ihre Umsetzung zeigen wenig Bereitschaft,
den Menschenrechten einen hohen Stellenwert einzurÀumen. Auch die
Verfolgung von MenschenrechtsverteidigerInnen in islamischen LĂ€ndern
wie Ăgypten oder Saudi-Arabien spricht fĂŒr sich.
Populismus in seiner fundamentalistischen
AusprÀgung fordert die Menschenrechte heraus.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven