Seite - 48 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
Bild der Seite - 48 -
Text der Seite - 48 -
48 | www.limina-graz.eu
Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
lichkeit führt, weil für Andersdenkende oder Minderheiten wenig Raum
bleibt. Dies betrifft vor allem das Verfügungsrecht über den eigenen Kör-
per, wie die Behandlung der Frage der Abtreibung oder nicht heterosexu-
eller Neigungen zeigt. Die Frage der Frauenrechte ist somit nicht nur im
islamischen Fundamentalismus ein Thema. Auch christliche Länder sind
vor Populismus nicht gefeit (vgl. Lesch 2017). So ist etwa die Ablehnung
der Aufnahme von Flüchtlingen mit islamischem Hintergrund in einer sog.
‚christlichen Nation‘ ein Beispiel für einen Mangel an Solidarität und Tole-
ranz bzw. für Populismus (vgl. von Beyme 2019). Polen, aber auch Ungarn,
die sich gerne als ‚christliche Festungen‘ inszenieren, haben sich damit in
der europäischen Wertegemeinschaft isoliert.
Der Populismus in seiner fundamentalistischen Ausprägung fordert die
Menschenrechte, aber auch die pluralistische Demokratie heraus, indem
er Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Vorurteile verstärkt, Minder-
heiten stigmatisiert, die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit ein-
schränken und durch eine autoritäre Herrschaft ersetzen will, die selbst
über Gut und Böse entscheiden kann. Die Einschränkung der Rolle zivil-
gesellschaftlicher Gruppen ist Teil dieser Strategie (vgl. Müller 2017). Zu
letzterer Gruppe gehören auch MenschenrechtsverteidigerInnen, die sich
dem autoritären Willen widersetzen und sich dafür als Extremisten oder
sogar Terroristen verunglimpfen lassen müssen (vgl. Alston 2017, 6).
Zu diesem Zweck wird die Autorität der Menschenrechte untergraben und
die Rechte selbst werden relativiert, damit sie den kulturellen, religiösen
oder politischen Vorstellungen nicht im Wege stehen. Diese Methoden wer-
den schon lange von autoritären Regierungen angewendet, wobei in mus-
limischen Ländern der Islam als oberste Autorität ins Feld geführt wird,
um etwa Einschränkungen der Frauenrechte oder Scharia-Strafen, die im
Gegensatz zu den Menschenrechten stehen, zu begründen (vgl. Benedek
2005, 296). Bemühungen um islamische oder arabische Menschenrechts-
kataloge wie die Kairo-Erklärung von 1990 oder die Arabische Charta der
Menschenrechte von 2004 und ihre Umsetzung zeigen wenig Bereitschaft,
den Menschenrechten einen hohen Stellenwert einzuräumen. Auch die
Verfolgung von MenschenrechtsverteidigerInnen in islamischen Ländern
wie Ägypten oder Saudi-Arabien spricht für sich.
Populismus in seiner fundamentalistischen
Ausprägung fordert die Menschenrechte heraus.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven