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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
Freilich sind, zum Beispiel im Internet, auch fundamentalistische Mus-
limInnen aktiv, die Hass gegen NichtmuslimInnen oder auch gegen andere
MuslimInnen, die ihren Vorstellungen nicht entsprechen, verbreiten. Bei-
de Gruppen agieren oft in ‚Echokammern‘ Gleichgesinnter, was die Pola-
risierung fördert. So beklagen sich etwa liberale Muslime wie Mouhanad
Khorchide, zu wenig Schutz vor IslamistInnen zu erhalten, die eine isla-
mische Identitätspolitik bzw. einen sog. politischen Islam betreiben (vgl.
Khorchide 2020a). Dahinter steht die Spaltung zwischen einem traditio-
nellen, manchmal fundamentalistischen Islamverständnis und dem Ver-
such, dieses an die Erfordernisse der modernen Welt anzupassen, es steht
also Identitätspolitik gegen westliche, europäische Werte, die in einem
‚europäischen Islam‘ Platz finden können.
Auch der ehemalige Botschafter Österreichs in Tunesien, Gerhard Wein-
berger, wendet sich gegen eine den „Opfermythos“ befeuernde „Islamo-
phobie-Ideologie“ (Weinberger 2020, 34). Seine Erfahrungen in Tunesien
fasste er in dem Buch Mit dem Koran ist kein Staat zu machen (Weinberger
2018) zusammen, in dem er die Probleme staatlicher Entwicklung aufgrund
eines reformbedürftigen Islam behandelt. Er wurde dafür als islamophob
kritisiert. Der Vorwurf der Islamophobie ist heute durch seine Überdeh-
nung teilweise diskreditiert. So hat eine Gruppe von WissenschaftlerInnen
den Europäischen Islamophobiebericht, der von einer türkischen Stiftung,
aber auch der EU finanziert wird, kritisiert, weil dort seriöse Islamkriti-
kerInnen als islamophob bezeichnet wurden. Aus demselben Grund gab es
Kritik an seinem österreichischen Teil.10
Das Problem besteht dennoch. Für Wien berichtete etwa die Dokumenta-
tions- und Beratungsstelle für Islamfeindlichkeit und antimuslimischen
Rassismus in ihrem Jahresbericht 2019 über einen Anstieg des Rassis-
mus gegen Muslime (vgl. Dokumentationsstelle Islamfeindlichkeit 2019).
Auch die Zahlen der Antidiskriminierungsstelle für die Steiermark zeigen eine
Zunahme. In den letzten Jahren hat sich auch die Hassrede gegen Mus-
limInnen im Internet verstärkt, wie die sog. BanHate App der Antidiskrimi-
nierungsstelle zeigt, über die solche Hasspostings gemeldet werden kön-
nen (vgl. Antidiskriminierungsstelle 2019). Dazu trägt der überwiegend
kritische Diskurs gegenüber MuslimInnen in Politik und Medien bei, wie
auch eine 2019 an der Universität Salzburg entstandene Studie feststellt.
Im Hintergrund steht eine Spaltung zwischen einem traditionellen Islamverständnis
und dem Versuch, dieses an die Erfordernisse der modernen Welt anzupassen.
10 Siehe Addendum vom 11.12.2019,
https://www.addendum.org/news/
islamophobie-bericht/ [30.11.2020].
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven