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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
7 Integration und Inklusion gegen Radikalisierung
Dem guten Zusammenleben und der Integration sowie der Vertrauensbil-
dung mit den MuslimInnen eher abträglich sind auch Studien wie diejenige,
die vom Österreichischen Integrationsfonds zum Thema „Integrationsdiskur-
se in ausgewählten Grazer Moscheen“ ausgerechnet bei einem Verein na-
mens Europäisches Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention
in Wien in Auftrag gegeben wurde. Die Daten fĂĽr die Studie, deren AutorIn-
nen ganz ungewöhnlicher Weise nicht genannt werden, wurden durch für
diesen Zweck geschulte undercover-Rechercheure erhoben, indem ein bis
zwei Freitagspredigten in acht von ca. zwanzig in Graz bestehenden Mo-
scheen beobachtet wurden. Aus der Argumentation der Imame wurde auf
die Integrationsfreudigkeit der jeweiligen Moschee geschlossen, wobei der
verwendete Integrationsbegriff problematisch war. Den Betroffenen wur-
de keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Ergebnissen geboten. Zwar
wurde in der Studie selbst auf ihre mangelnde Repräsentativität hingewie-
sen, nicht jedoch in der Zusammenfassung, die zum Schluss kam, dass kei-
ne der beobachteten Moscheen die Integration unterstütze, während drei
sogar die Segregation förderten.18 In den Medien führte dies zu Schlagzeilen
wie „Integrationshürde Islam“ und „Moscheen hemmen Integration“,19
woraus etwa die FPĂ– ableitete, dass es sich bei den untersuchten Moscheen
um „Entwicklungszentren des Radikalislamismus“20 handle.
Diese Vorgangsweise der Politik, die meist von den Medien noch verstärkt
wird, fĂĽhrt zu einer zunehmenden EinschĂĽchterung der MuslimInnen,
die sich oft Pauschalierungen im Sinne eines Generalverdachts und einem
Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen. Das von Politik und Medien ge säte
Misstrauen erschwert die Beteiligung in die Gesellschaft, wie aus einer re-
zenten Studie hervorgeht, in der die Erfahrungen von Jugendlichen in Graz
erforscht wurden. Sie fĂĽhlen sich integriert, aber nicht immer akzeptiert,
da es an der sozialen Anerkennung fehlt und sie mit vielfältigen Vorurteilen
konfrontiert sind (vgl. Catakovic 2019). BemĂĽhungen in der Vergangenheit,
die Beteiligung der MuslimInnen in der Gesellschaft zu stärken (vgl. Bene-
dek/Mahmoud 2011), werden dadurch konterkariert. Im schlimmsten Fall
kann der ständig zunehmende Druck auf die MuslimInnen zur Radikalisie-
rung Einzelner und damit zur Stärkung des religiösen Fundamentalismus
auch in seiner extremen Form fĂĽhren.
18 Ă–IF-Forschungsbericht: Diskurse
in ausgewählten Grazer Moscheen
und deren mögliche Auswirkungen auf
den Integrationsprozess, hg. v. Ă–ster-
reichischer Integrationsfonds, Wien
2020, [30.11.2020].
19 Kleine Zeitung (Graz), 9.7.2020,
1; 20–21.
20 Presseaussendung der FPĂ–,
OTS0047, 9.7.2020.
MuslimInnen sehen sich Pauschalierungen
im Sinne eines Generalverdachts ausgesetzt.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven