Page - 61 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
Image of the Page - 61 -
Text of the Page - 61 -
61 | www.limina-graz.eu
Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
Dennoch kommt den universellen Menschenrechten eine wichtige Rolle im
Kampf gegen jede Form der religiösen Diskriminierung, etwa der Islam-
feindlichkeit oder dem Antisemitismus zu (vgl. Benedek 2005, 306ff.). In
Krisensituationen erweisen sich die VerheiĂungen des Populismus oft als
hohle Versprechungen. Die Menschen, die bereit waren, EinschrÀnkungen
ihrer Rechte in Ausnahmesituationen zu akzeptieren, fordern diese danach
wieder ein.
Dies gilt besonders fĂŒr die Religionsfreiheit, die letztlich im Interesse al-
ler liegt, sind doch Angehörige âherrschenderâ Religionen in einigen LĂ€n-
dern so gut wie immer in anderen LĂ€ndern als Minderheitenreligionen auf
die GewÀhrung dieser Rechte angewiesen. Dazu bedarf es freilich einer
Art âneuer AufklĂ€rungâ bzw. der Erneuerung des pluralistisch-liberalen
Demo kratiekonzepts, das durch eine stĂ€rkere BerĂŒcksichtigung der so-
zialen Menschenrechte zu ergÀnzen wÀre. Das Vertrauen in internationale
Institutionen und den Multilateralismus mĂŒsste wieder gestĂ€rkt werden.
Die Verbesserung der menschlichen Sicherheit in einem umfassenden Sin-
ne unter Einbezug der sozialen Menschenrechte kann dem Fundamenta-
lismus entgegenwirken. Die wachsende Ungleichheit hat die Kritik an der
Globalisierung zu Recht gestĂ€rkt. DemgegenĂŒber bekennen sich die Nach-
haltigkeitsziele der Vereinten Nationen zum Grundsatz, dass niemand zu-
rĂŒckgelassen werden darf.
Die Einhaltung der Menschenrechte einschlieĂlich des Rechts auf Reli-
gionsfreiheit ohne jede Diskriminierung muss Teil einer erlebbaren âKul-
tur der Menschenrechteâ sein. Dies gilt besonders auch fĂŒr Menschen mit
Migrationshintergrund, von denen zwar erwartet wird, dass sie die Werte
der Aufnahmegesellschaft ĂŒbernehmen, die jedoch oft nicht nach diesen
Werten behandelt werden. Dabei kommt der Religionsfreiheit eine zentrale
Rolle zu. Wenn etwa MuslimInnen groĂe Probleme haben, ihre GotteshĂ€u-
ser zu errichten oder ihre Toten entsprechend ihren Glaubensvorstellun-
gen zu bestatten, dann zeugt dies von einem Mangel an Toleranz und Ach-
tung der Religionsfreiheit. Auch die Kopftuchdebatte wird in der Form, wie
sie gefĂŒhrt wird, als EinschrĂ€nkung der Religionsfreiheit empfunden. Hier
geht es um schwierige AbwÀgungsfragen zwischen dem SÀkularitÀtsprin-
zip und den religiösen Rechten anerkannter Religionsgemeinschaften. Die
Politik mancher Parteien nutzt bzw. verstÀrkt bestehende Ressentiments
in der Bevölkerung aus populistischen GrĂŒnden. Bestehende Probleme mit
Eine erlebbare âKultur der Menschenrechteâ
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven