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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
Dennoch kommt den universellen Menschenrechten eine wichtige Rolle im
Kampf gegen jede Form der religiösen Diskriminierung, etwa der Islam-
feindlichkeit oder dem Antisemitismus zu (vgl. Benedek 2005, 306ff.). In
Krisensituationen erweisen sich die Verheißungen des Populismus oft als
hohle Versprechungen. Die Menschen, die bereit waren, Einschränkungen
ihrer Rechte in Ausnahmesituationen zu akzeptieren, fordern diese danach
wieder ein.
Dies gilt besonders für die Religionsfreiheit, die letztlich im Interesse al-
ler liegt, sind doch Angehörige ‚herrschender‘ Religionen in einigen Län-
dern so gut wie immer in anderen Ländern als Minderheitenreligionen auf
die Gewährung dieser Rechte angewiesen. Dazu bedarf es freilich einer
Art ‚neuer Aufklärung‘ bzw. der Erneuerung des pluralistisch-liberalen
Demo kratiekonzepts, das durch eine stärkere Berücksichtigung der so-
zialen Menschenrechte zu ergänzen wäre. Das Vertrauen in internationale
Institutionen und den Multilateralismus müsste wieder gestärkt werden.
Die Verbesserung der menschlichen Sicherheit in einem umfassenden Sin-
ne unter Einbezug der sozialen Menschenrechte kann dem Fundamenta-
lismus entgegenwirken. Die wachsende Ungleichheit hat die Kritik an der
Globalisierung zu Recht gestärkt. Demgegenüber bekennen sich die Nach-
haltigkeitsziele der Vereinten Nationen zum Grundsatz, dass niemand zu-
rückgelassen werden darf.
Die Einhaltung der Menschenrechte einschließlich des Rechts auf Reli-
gionsfreiheit ohne jede Diskriminierung muss Teil einer erlebbaren ‚Kul-
tur der Menschenrechte‘ sein. Dies gilt besonders auch für Menschen mit
Migrationshintergrund, von denen zwar erwartet wird, dass sie die Werte
der Aufnahmegesellschaft übernehmen, die jedoch oft nicht nach diesen
Werten behandelt werden. Dabei kommt der Religionsfreiheit eine zentrale
Rolle zu. Wenn etwa MuslimInnen große Probleme haben, ihre Gotteshäu-
ser zu errichten oder ihre Toten entsprechend ihren Glaubensvorstellun-
gen zu bestatten, dann zeugt dies von einem Mangel an Toleranz und Ach-
tung der Religionsfreiheit. Auch die Kopftuchdebatte wird in der Form, wie
sie geführt wird, als Einschränkung der Religionsfreiheit empfunden. Hier
geht es um schwierige Abwägungsfragen zwischen dem Säkularitätsprin-
zip und den religiösen Rechten anerkannter Religionsgemeinschaften. Die
Politik mancher Parteien nutzt bzw. verstärkt bestehende Ressentiments
in der Bevölkerung aus populistischen Gründen. Bestehende Probleme mit
Eine erlebbare ‚Kultur der Menschenrechte‘
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven