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W. Weirer, J. Brunner und A. Gmoser | Professionell – missionarisch – an der Grenze zum Fundamentalismus?
das auch“ (SM #149, 24:33–24:34) regen sie die Mitfeiernden indirekt dazu
an, Vergleiche mit ihnen anzustellen, wodurch eine Verbindung entstehen
kann. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit wird zusätzlich verstärkt,
indem das Fehlen des Publikums vor Ort wiederholt bedauert wird: „Wir
vermissen euch wirklich. Ich vermisse euch wirklich. Und es geht mir nicht
gut, dass ihr nicht da seid.“ (SM #145, 43:42–44:00)
Durch die genannten, sehr persönlichen Ausdrucksweisen werden – in
Kombination mit der stimmungsvollen musikalischen Begleitung – vor al-
lem die Emotionen der Teilnehmenden angesprochen, wodurch eine Ver-
bindung aufgebaut werden kann. Diese ist eine wichtige Säule für Gemein-
schaft, welche von Religionen im Allgemeinen und im Besonderen von der
HOME Church als tragend erachtet wird – was gerade in Zeiten des Social
Distancing, in denen persönliche Treffen nicht möglich sind, eine Heraus-
forderung darstellt.
Allerdings ist in diesem Kontext darauf aufmerksam zu machen, dass ein
vermehrtes Aufkommen von scheinbar definitiven Antworten auf Fragen
des (religiösen) Lebens sowie von Direktiven auffällt, wie die folgende Pas-
sage zeigt:
„[…] und ich kann dir versichern: Es macht einen Unterschied, wenn du
vor Gott bekennst und auch vor dir dir eingestehst, dass die Dinge nicht
richtig sind, die du tust, dass du einfach gefailed hast, dass du falsche
Entscheidungen getroffen hast […].“ (SM #145, 46:20–46:38)
Diese werden teilweise mit Phrasen eingeleitet, welche bei genauerem
Hinhören dem Framing4 zugeordnet werden können, wie zum Beispiel:
„Aber ich habe eine gute Nachricht!“ (SM #148, 25:57–25:59). Des Weite-
ren lassen einige von den Sprecher/innen benutzte Formulierungen darauf
schließen, dass sie genau wüssten, wie Gott oder Jesus denkt und wirkt –
auch in Bezug auf alltägliche Fragen:
„Irgendwie gehört für Gott sich gut anziehen zu können, ordentlich an-
ziehen zu können, richtig sich schön zu machen, das gehört für Gott dazu,
und dafür braucht es Geld übrigens in unserer Welt. Jesus hat kein Pro-
blem mit Geld oder mit Besitz, im Gegenteil: Er will, dass es dir richtig gut
geht.“ (SM 152, 47:08–47:28)
4 Die Anwendung von „Frames“
(engl. für Rahmen) wird in den
Kommunikationswissenschaften
seit den 1990er-Jahren behandelt.
Sie werden von Vortragenden (oder
z. B. auch Journalist/innen in der
Berichterstattung) verwendet, um
den Hörer/innen (oder Leser/innen)
Orientierungsrahmen zu bieten,
damit Informationen leichter ver-
arbeitet werden können. Damit
werden jedoch auch bestimmte
Aspekte und Positionen betont und
andere ausgeblendet, wodurch die
Interpretation der Rezipient/innen
beeinflusst wird (vgl. Brosius/Dan
2020, 265–267).
Die Sprecher/innen scheinen genau zu
wissen, wie Gott denkt und wirkt.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven