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Rita Perintfalvi | LGBTIQ-Menschen als Zielscheiben rechtspopulistischer und fundamentalistischer Angriffe
dern der fundamentalistische Charakter ist mit Hass und Aggression ver-
bunden. Man muss deutlich zwischen âfundamentalâ und âfundamenta-
listischâ unterscheiden (vgl. Benner 2009). Fundamentalist*innen wollen
ihre partikulare Ethik, ihre Weltdeutung auch mittels der Gesetzgebung zu
Lasten aller anderen verbindlich machen (vgl. Meyer 2011, 29). Deswegen
bilden religiöse Fundamentalist*innen immer strategische Allianzen mit
politischen Akteur*innen wie den Rechtspopulist*innen, um ihre religiö-
sen, anthropologischen und gesellschaftlichen Vorstellungen der gesam-
ten Gesellschaft aufzwingen zu können.
Wann wird dieser Anspruch gesellschaftlich gefÀhrlich? Im religiösen Fun-
damentalismus wird oft betont, dass es eine einzige Wahrheit gÀbe. Diese
ist rationaler Kritik mit logischen Argumenten unzugÀnglich, denn sie ist
unverĂ€nderbar, heilig und ewig. SelbstverstĂ€ndlich verfĂŒgen Fundamen-
talist*innen immer selbst ĂŒber diese Wahrheit. So entstehen leicht ex-
klusivistische Heilsvorstellungen und eine Verabsolutierung des eigenen
religiösen Wahrheitsanspruchs. Fundamentalist*innen haben eine stark
dualistisch-manichĂ€istische Weltsicht; nach ihrer Ăberzeugung sind die
Wahrheit(en) der âAnderenâ den eigenen unterlegen. Und die âAnderenâ,
die ihre einzige Wahrheit nicht teilen, verkörpern fĂŒr sie das Schlechte /
Böse bzw. den âSatanâ schlechthin. Auf diese Weise entsteht ein sakraler,
vielleicht sogar apokalyptischer Krieg zwischen Gut und Böse.
Religiöser Fundamentalismus wird gesellschaftlich, aber auch kirchlich
gefÀhrlich, wenn der starre Glaube an die Richtigkeit der eigenen religiösen
Ăberzeugung den auf der Basis gegenseitigen Respekts gefĂŒhrten Dialog
mit den âAnderenâ (Religionen, Konfessionen, andere theologische Posi-
tionen, Lebensweisen etc.) verunmöglicht. RigiditĂ€t und die Ăberzeugung
von der Ăberlegenheit der eigenen Glaubensrichtung können zur absolu-
ten Intoleranz und Verteufelung der âAnderenâ fĂŒhren. So entstehen leicht
Anschlussmöglichkeiten fĂŒr Antisemitismus, antimuslimischen Rassis-
mus (âfalscherâ Glaube) sowie Homophobie, Emanzipations- und Frauen-
feindlichkeit (âfalscheâ Lebensweisen) (vgl. Strube 2015, 28â29). Da es bei
diesem Kampf um den Kampf im Namen der einzigen Wahrheit geht, sind
gegen die Feind*innen dieser Wahrheit auch Hassrede, Hetze, Aggres-
sion und Gewalt legitimierbar. So werden LGBTIQ-Menschen durch reli-
giöse sowie politische Fundamentalist*innen psychisch bedroht, spirituell
Religiöser Fundamentalismus wird gefÀhrlich, wenn der Glaube an
die Richtigkeit der eigenen Ăberzeugung den Dialog verunmöglicht.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:1
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:1
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 224
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven