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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
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55 | www.limina-graz.eu Thomas Söding | Freiheit des Gewissens – Freiheit des Glaubens dass die Komplexitätsgewinne, die durch den Gang der Wissenschaften und die Modernisierung der Lebenskulturen entstanden sind, reduziert werden sollten, sondern weil die frühmoderne Rezeption längst nicht das Potenti- al der paulinischen Freiheitstheologie ausgeschöpft, sondern im Gegenteil vielfach verkannt hat, so dass im Gegenzug auch die Freiheitsidee, die sich anti-kirchlich und anti-theologisch gibt, unterkomplex geblieben ist. Im weltweiten Diskursraum ist Religion ein Kommunikationsfaktor ers- ter Güte. Ihn außen vor zu lassen, ist die Versuchung einer intellektuellen Elite, der sie besser widersteht. Alain Badiou hat Paulus als einen Denker gewürdigt, der im Blick auf den Gekreuzigten, des zu höchsten Ehren ge- brachten Opfers, das Bürgerrecht für alle gedacht habe, gebunden allein an das Bekenntnis des Glaubens, aber bereit, in aller Freiheit öffentlich Zeugnis abzulegen. Giorgio Agamben hat in seinem Römerbriefkommen- tar reflektiert, dass in der Verkündigung eines unschuldigen Opfers als Retter die Option für eine universale Friedensordnung begründet ist, die den Tod überwindet. Slavoj Žižek hat in Paulus den Theoretiker einer Re- volution gesehen, der mit der Möglichkeit des Neuen rechnet und dadurch der Freiheit ein entscheidendes geschichtliches Gewicht gibt. Auch Jürgen Habermas hat mit der Rechtfertigung ein typisch paulinisches Thema auf- genommen, um die Konfliktkultur einer pluralistischen Gesellschaft zu zi- vilisieren. Die Möglichkeiten eines philosophisch-theologischen Dialoges, in dem die paulinische Freiheitstheologie Gewicht erhält, erscheint seit der Jahrtausendwende weit günstiger als beim Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Freilich muss die Theologie diesen Dialog auch beherzt füh- ren und die Theozentrik des paulinischen Freiheitsdiskurses zur Geltung bringen – historisch informiert und hermeneutisch engagiert. Paulus selbst wird freilich nicht als objektive Größe ins Gespräch gebracht, sondern als jemand, der die Erfindung der Subjektivität stark vorangetrie- ben hat – durch seine Glaubenserfahrung (Siedentop 2015). Was er über die Freiheit des Gewissens und des Glaubens im Spannungsfeld von Theono- mie und Autonomie schreibt, ist nicht der Schluss der Debatte, sondern der Anfang eines Gesprächs, das von der Überzeugung zu profitieren vermag, der Gott Jesu Christi bejahe die menschliche Freiheit und Menschen fän- den in Gott ihre Freiheit, wenn sie auf ihr Gewissen hören und wenn sie im Glauben seinem Wort gehorchen, ohne irgendein Geschöpf für Gott zu halten, auch sich selbst nicht. Nicht Schluss der Debatte, sondern der Anfang eines Gesprächs
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
2:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
267
Categories
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