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Karl Farmer | Warum handelspolitischer Protektionismus wieder politikmächtig
und wirtschaftliche Freiheit zum Phantom wurden
ohne Anerkennung höherer Werte votierte. Dass heutzutage keine allgemei-
ne Zustimmung zum Naturrecht besteht, ist, wie Samuel Gregg (2018, 2)
zu Recht feststellt, kein starkes Argument gegen eine liberale Ordnung auf
naturrechtlichen Grundlagen. „On the contrary, it underscores the impera-
tive of […] illustrating how natural law can supply a coherent basis for libe-
ral institutions that liberal ideology can’t.“ Die liberale Ideologie, von der
hier die Rede ist, meint völlige individuelle Autonomie ohne Anerkennung
höherer moralischer Güter und allein Freiheit von Zwang durch Dritte (den
Staat). Wenn die Stimme fĂĽr Trump vom Protest gegen diese inhaltlich lee-
re Freiheit geleitet war, war sie nach Ansicht des Autors legitim. Ungeord-
nete Freiheit war zu Recht zu einem Phantom geworden, vor dem man sich
fĂĽrchten musste.
Das leitet abschließend über zur Frage, ob eine „geordnete“ Freiheit (Gregg
2003) auĂźenwirtschaftlichen Protektionismus ein- oder ausschlieĂźt. In
Ăśbereinstimmung mit dem Dominikaner Francisco de Vitorio und Hugo
Grotius schlieĂźt nach Gregg (2013, 90) auch geordnete Freiheit Protektionis-
mus aus, weil es ein natĂĽrliches Recht der Menschen auf freien Tausch und
Freihandel gibt. Das ist zwar kein absolutes Recht, aber die Beweislast liegt
bei denen, die gegen Freihandel und fĂĽr auĂźenwirtschaftliche Protektion
eintreten. Daher sind im Gegensatz zur aktuell politisch dominierenden
Position sozialer Konservatismus und Freihandel mit dem Naturrecht, das al-
len Menschen zugänglich ist, vereinbar. Das lässt darauf hoffen, dass sich
durch „explaining natural law to those many intelligent people of good will
who have never encounted natural law or – more commonly – have been
exposed to caricatures of it [and] defending natural law against critics“
(Gregg 2018, 3) die unerfreuliche Verbindung von sozialem Konservatis-
mus und außenwirtschaftlichem Protektionismus wieder löst.
Der typische Trump-Wähler votierte auch gegen eine wirtschaftliche
Freiheit ohne Anerkennung höherer Werte.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 2:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 2:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 267
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven