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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
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Page - 86 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2

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86 | www.limina-graz.eu Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz Auge Gottes in Zeiten der Überwachung“ (Tück 2014). Göttliche Attribute (Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart) werden nun auch für menschliche Eigenschaften übernommen und erweisen sich in diesem Zusammenhang als problematisch. „Die Speicherung heikler Daten [...] könnte als Usurpa- tion des göttlichen Blicks, der alles sieht, als Säkularisat des Gedächtnisses Gottes [...] gedeutet werden.“ (Tück 2014) Bereits die scholastischen Qua- lifikationen Gottes waren bedenklich, ihre Übernahme in den Sprachschatz des „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff 2019) verstärkt die Skepsis. Gott als Richter im Endgericht wird, diese Assoziation drängt sich auf, unter Umständen (siehe General Qassem Soleimani) durch den US-amerikani- schen Präsidenten ersetzt (2020 Baghdad International Airport airstrike). Tück arbeitet den Unterschied zwischen den biblischen Aussagen und dem Kontrollgehabe heraus, das in der christlichen Katechese nicht selten zu finden war, sich aber im real existierenden Luftraum zur Lebensgefahr entwickelte. Der Richter sei zugleich der Retter, der – so seine abschlie- ßende Pointe – nach Psalm 31,5 aus dem Fangnetz der Feinde befreit. Die drei zitierten Annäherungen von Omnipräsenz und Telepräsenz sind Homiletik. Motive von alltäglichem Belang werden mit Glaubenswahr- heiten verknüpft. Die verbindende Spange ist „man kann sich vorstellen“. Dar über hinaus lässt sich aber auch insistieren: Was ist nun Sache, abge- sehen von der Flexibilität bildlicher Zuschreibungen? Eine historisch-sys- tematische Stellungnahme stammt von Hartmut Böhme. Cyberspace, so statuiert einer seiner Aufsatztitel, ist „Die technische Form Gottes“ (Böh- me 1996a). Die Formulierung verpflichtet zur Buchstäblichkeit und Böhme legt eine These vor. Gott bilde eine „eigene Sphäre des Immateriellen jen- seits der Welt der Körper [...], doch so, dass er immer in sie einwirken, in ihr erscheinen oder sich aus ihr zurückziehen kann“ (Böhme 1996b, 6).10 Und er setzt hinzu: „Meine Behauptung ist, dass damit die Metaphysik und die hintergründigen Funktionen des Cyberspace beschrieben sind.“ (Böh- me 1996b, 6) Die scholastische Bewegungsfreiheit Gottes mündet in die Konvertibilität zweier metaphysischer Themenkreise. „[D]ie allerneuesten Techniken [sind] im Licht vergangener Theologoumena und Mythologeme zu interpretieren“ (Böhme 1996b, 5), die umgekehrt einen „tiefenstruktu- rellen Antrieb“ (Böhme 1996b, 8) der heutigen Entwicklungen bilden. 10 Dieser Gedanke ist in der Einlei­ tung 1 bei Augustinus hervorgehoben und durch den Hinweis auf „geisti- ges Eigentum“ plausibilisiert wor- den: Bücher, Bilder und Musikstücke sind materiell verwirklicht und reichen in eine immaterielle Sphäre, die in die Welt der Körper wirkt. Göttliche Attribute werden für menschliche Eigenschaften übernommen und erweisen sich in diesem Zusammenhang als problematisch.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
270
Categories
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