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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
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Page - 88 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2

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88 | www.limina-graz.eu Herbert Hrachovec | OmniprĂ€senz / TeleprĂ€senz WĂ€hrend Gott nach christlicher Lehre ein dem Menschen zugewandtes, geheimnisvoll allmĂ€chtiges Wesen ist, ist der Mensch eine Abstraktion. Man kann sie auch als Geheimnis auffassen, doch vom Geheimnis Gott un- terscheidet sie sich deutlich. Das eine kennzeichnet (in der jĂŒdisch-christ- lichen Tradition) einen „Schöpfer des Himmels und der Erde“ als uner- grĂŒndliche Person. Der Begriff vom Menschen hingegen ist von der Erdbe- völkerung abgeleitet und muss damit auch die Scheußlichkeiten abdecken, zu der die zugehörigen EinzelfĂ€lle bei Gelegenheit in der Lage sind. Theo- dizee, die sich auf die letztlich unbegreifliche GĂŒte Gottes beruft, hat kein Pendent in der Anthropodizee, es sei denn, sie eignet sich die theologische Hoffnung auf Erlösung an. Aber damit hĂ€ngt sie in der Luft. Die Erwartun- gen, die in Gott als ultimativen Richter und Erlöser gesetzt worden sind, kann „das Menschengeschlecht“ nicht erfĂŒllen. Die Leerstelle, die sein Ab- gang aufreißt, kann es nicht abdecken. „Ihr werdet sein wie Gott“ ist ein fehlkonstruiertes Versprechen. Gesetzt, dass Gott tot ist, besteht die Auf- gabe nicht darin, ihn in seiner Machtvollkommenheit zu beerben, sondern damit zurechtzukommen, dass eine Gottesposition nicht zur VerfĂŒgung steht. Wem kann also, das ist abschließend die Frage, OmniprĂ€senz und/oder Te- leprĂ€senz zugeschrieben werden? AllgegenwĂ€rtig ist der eine Gott, Schöp- fer und Erlöser; teleprĂ€sent sind einander TeilnehmerInnen an der welt- weiten elektronischen Kommunikation. Die eine Antwort kommt aus dem Glauben, die andere aus Informatik, Medientheorie und letztlich aus der Politik. Böhmes Formel vom „Cyberspace als technischer Form Gottes“ vergöttlicht Technik im gleichen Atemzug, in dem sie Gott eskamotiert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Böhme seine Formulierung als kritische Intervention versteht. Im Blick auf die Körperfeindlichkeit der Gnosis be- merkt er nĂ€mlich: „Selbstvergottung setzt die Apokalypse der Erde vor- aus.“ (Böhme 1996b, 9) Das Fazit seiner Technifizierung Gottes verheißt nichts Gutes. Hartmut Böhme verbindet Gott und Cyberspace als zwei Mythologeme. Auf diesem Weg ist vieles erlaubt. Legt man striktere MaßstĂ€be fĂŒr die KohĂ€renz zwischen den beiden Themenkreisen an, scheitert die Verbindung auf zwei unterschiedliche Weisen. FĂŒr die glĂ€ubige Sichtweise ist ausgeschlossen, dass der Mensch Gott beerbt. Wenn sie sich umgekehrt in der Technolo- gie erfĂŒllt, wird diese Tradition zur (blumigen) Reminiszenz. Im Christen- Wem kann also OmniprĂ€senz und / oder TeleprĂ€senz zugeschrieben werden?
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
3:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
270
Categories
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