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Karl Stöger | Dürfen Maschinen menschliche Barmherzigkeit ersetzen?
Eckpunkte der Untersuchung
Die Pflege Kranker ist eines der leiblichen Werke der Barmherzigkeit
(Mt 25,34–46) und zeigt damit eine Eigenschaft von Menschen, die bib-
lisch (z. B. Ex 34,6) auch Gott zugeschrieben wird. Der medizinische Fort-
schritt, die Alterung der Gesellschaft und berufliche Vorstellungen der
Menschen haben jedoch zu einer Knappheit an Pflegekräften geführt, der
man auch durch eine zunehmende Digitalisierung der Pflege zu begegnen
versucht. Die Anwendungsfelder neuartiger Technologien in der Pflege
sind vielfältig: Sie beginnen bei Sensoren zur „Bettflucht
erkennung“ bei
Demenzkranken und enden – wenn auch noch weitgehend pro futuro –
beim Einsatz von Pflegerobotern. Ein vollständiger Ersatz menschlicher
durch maschinelle Pflege wird dabei nicht angestrebt, dennoch bestehen
hinsichtlich der Digitalisierung der Pflege auch ethische Bedenken.
Mit einigen dieser Bedenken befasst sich eine Stellungnahme der österrei-
chischen Bioethikkommission zum Thema „Roboter in der Betreuung alter
Menschen“ (Bioethikkommission 2018), andere finden sich auch in einemÂ
–
thematisch breiter angelegten – Bericht der deutschen Datenethikkom-
mission. So liest man dort insbesondere die folgenden Ăśberlegungen:
„Effektivität ist aber nicht der höchste Wert. Sie darf die Entfaltung des
Menschen in seinem eigenen Handeln nicht substanziell einschränken,
und sie muss hinter der grundlegenden ethischen Dimension des sinn-
vollen und gelingenden Lebens als Einzelner und in der Gemeinschaft
zurĂĽckstehen. Selbst wenn also beispielsweise ein Roboter einen Men-
schen effektiver pflegen könnte, dürfte die menschliche Zuwendung und
Sorge fĂĽr den pflegebedĂĽrftigen Menschen dadurch nicht ersetzt werden.
Gleichwohl kann der Einsatz von Robotern in der Pflege zusätzlich zur
menschlichen Zuwendung geboten sein, wenn dadurch die Sicherheit der
zu pflegenden Person wesentlich erhöht wird“ (Datenethikkommissi-
on 2019, 40).
Diese ethischen Ăśberlegungen sollen als Ausgangspunkt dienen, einige
Fragen der Digitalisierung der Pflege aus rechtlicher Perspektive in einer
auch für Nicht-JuristInnen zugänglichen Weise zu beleuchten.1 Während
die (angewandte) Ethik nämlich primär Handlungsempfehlungen gibt, soll
Die Anwendungsfelder neuartiger Technologien in der Pflege
sind vielfältig. Doch es bestehen auch ethische Bedenken.
1 Eine an ein fachjuristisches Pu-
blikum gerichtete Darstellung der
meisten Themen, die in den grund-
rechtlichen Abschnitten dieses Bei-
trags diskutiert werden, findet sich
bei Stöger 2020.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven