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Karl Stöger | Dürfen Maschinen menschliche Barmherzigkeit ersetzen?
Digital divide in der Pflege
Eine andere Frage, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung immer
wieder diskutiert wird, ist die eines digital divide. Auch im Zusammenhang
mit der Digitalisierung der Pflege ist eine solche Trennlinie denkbar, näm-
lich die zwischen ausschließlich oder überwiegend „menschlicher Pfle-
ge“ einerseits und überwiegend „digitalisierter“ Pflege mit entsprechend
geringerem Einsatz von Menschen andererseits. Klar ist nach dem bisher
Ausgeführten jedenfalls, dass die Ersetzung von Menschen nur in einem
Ausmaß erfolgen kann, das erstens noch dem Stand der Pflegewissen-
schaften entspricht und zweitens nicht gegen die oben genannten grund-
rechtlichen Vorgaben verstößt.
Grundsätzlich ist es so, dass der Träger eines Pflegeheims selbst entschei-
den kann, ob er das pflegerisch gebotene Mindestniveau oder ein darüber
hinausgehendes Niveau mit einem höheren Anteil an persönlicher Pflege
anbietet. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass eine pflegebedürftige
Person dauerhaft auf eine rein menschliche Pflege bestehen kann, wenn
eine teilweise „digitale Pflege“ bereits dem Stand der Pflegewissenschaft
entspricht – dies kann dann letztlich auch zum Verlust eines Pflegeplatzes
führen (Stöger 2020). Umgekehrt wäre es aber auch zulässig, sich über den
Stand der Pflegewissenschaft hinausgehende „rein menschliche Pflege“
durch entsprechend höhere Entgelte abgelten zu lassen.
Sofern freilich staatliche Unterstützung von pflegebedürftigen Personen
–
sei es im Wege der Pflegeversicherung, oder auch nur von Zuschüssen für
pflegebedürftige Personen – ins Spiel kommt, ist aus rechtlicher Sicht der
Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung zu beachten (zu dessen Be-
deutung für die medizinische Versorgung allgemein unlängst eingehend
Berka 2019, 227–238): Dieser verpflichtet den Staat, bei vergleichbaren
Sachverhalten grundsätzlich in gleicher Weise vorzugehen. Konkret auf
pflegebedürftige Personen bezogen, bedeutet dies, dass aus verfassungs-
rechtlicher Sicht zwar keine grundsätzliche Verpflichtung des Staates be-
steht, pflegebedürftigen Personen Geld oder Sachleistungen zu gewähren.
Wenn er sich aber dafür entscheidet, dann muss er solche Leistungen in
diskriminierungsfreier Weise vergeben (Berka 2019). Solche Leistungen
müssen daher grundsätzlich gleich ausgestaltet sein, es sei denn, es be-
Sofern staatliche Unterstützung von pflegebedürftigen Personen ins Spiel
kommt, ist der Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung zu beachten.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 3:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 3:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven