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Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von IdentitÀt und DiversitÀt im (rabbinischen) Judentum
tung vor dem Lebenâ (2014, 436) verwendet, um einen wichtigen Aspekt
der Speisegebote zu betonen. Dies gilt zweifellos auch fĂŒr das Gebot der
SchÀchtung des Tieres, die dazu dient, das Tier völlig ausbluten zu lassen.
Das Blut ist die Lebenskraft, das Symbol des Lebens schlechthin. Hier kann
wieder Hieke zitiert werden:
âDie Schlachtung muss schnell, in einer zĂŒgigen Bewegung (ohne Hauen,
Stechen und ReiĂen), mit einem Ă€uĂerst scharfen Messer ohne Scharten
durchgefĂŒhrt werden â diese Vorschriften laufen letztlich darauf hinaus,
dem Tier unnötige Schmerzen zu ersparen. Es ist zu unterstellen, dass
die Rabbinen diese Ăberlegungen nicht erfunden, sondern auf Ă€ltere
Ăberlieferungen zurĂŒckgegriffen haben. Von daher ist zu vermuten, dass
schon in den biblischen Texten das leitende ethische Prinzip darin be-
standen hat, bei der unumgÀnglichen Tötung des Tieres doch den Res-
pekt vor dem Leben zu bewahren und dies durch möglichst schmerzfreies
Schlachten und durch Verzicht auf den Verzehr des Blutes zum Ausdruck
zu bringen.â (Hieke 2014, 435)
WÀhrend die Bibel praktisch keine Vorgaben zur SchÀchtung macht, wur-
den diese spÀter ausgiebig diskutiert (z. B. im Talmudtraktat Chullin oder
im groĂen Gesetzeskorpus Schulchan Aruch, Jore Deâa 1â28). StĂ€ndig wer-
den die Methoden weiter verfeinert, um das Tier möglichst wenig leiden zu
lassen. Dies betrifft sowohl die Vorgaben der Vorbereitung und HinfĂŒhrung
des Tieres, das Erreichen der optimalen Halsstellung als auch die Durch-
fĂŒhrung des Schnitts (einzig, schnell, ununterbrochen und alle Weichteile
bis zur WirbelsÀule umfassend). Um den letzten Rest des Blutes zu ent-
fernen, wird das Fleisch vor dem Zubereiten eingesalzen. Blutreiche Teile
wie etwa die Leber werden am besten ĂŒber offenem Feuer geröstet. Nach
der SchÀchtung wird auch der Ischiasnerv entfernt, in Erinnerung an den
Kampf Jakobs mit Gott / einem Engel am Jabbok nach Gen 32. Bei diesem
Kampf wurde Jakob am Ischiasnerv verletzt.
Die Debatte um die rituelle Schlachtung ist auch in der Moderne aktuell.
Hier werden leider oft unter dem Deckmantel des Tierschutzes antisemi-
tische Ressentiments laut. Die Gesetzgebung ist, was die rituelle Schlach-
tung betrifft, weltweit unterschiedlich (vgl. dazu https://www.loc.gov/
item/2018296163/ [13.09.2021]).
Besonders der Verzicht auf Schweinefleisch ist zentral geworden, wenn es
darum geht, jĂŒdische (aber auch muslimische) Speisegebote kurz zusam-
Das Blut ist die Lebenskraft, das Symbol des Lebens.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven