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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
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49 | www.limina-graz.eu Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum Dazu nur ein Beispiel: Die rabbinische Bewegung legte (u. a. im Talmud- traktat Chullin) fest, dass man entweder die Hände waschen und die Zäh- ne gründlich vom Fleisch säubern oder zwischen einem Fleischgericht und einem Milchgericht eine Pause einlegen sollte, um sie nicht unabsichtlich zu vermischen. Im Mittelalter bürgerte es sich in sefardischen Gemeinden ein, sechs Stunden zu warten. Maimonides etwa hielt es (in Mischne Tora, Ma’achalot Assurot 9.26) für richtig, diese Zeitspanne einzuhalten, damit das Fleisch, das man nicht durch Waschen und Zähnereinigen entfernen kann, verdaut ist. Die Tosafisten hingegen, die aschkenasischen Gelehrten in der Nachfolge des bedeutenden Gelehrten Raschi aus Troyes, betonten, dass keine Zeitspanne nötig sei, sofern der Mund gereinigt wird; von sechs Stunden ist überhaupt keine Rede. Über die Jahrhunderte hielt sich diese Praxis in den aschkenasischen Gebieten. Josef Qaros (1488–1575) Geset- zeswerk Schulchan Aruch übernahm die sefardische Regel und Moses Isser- les (Rema/u, 1525–1572), der den Schulchan Aruch in den aschkenasischen Gemeinden verbindlich machte, hielt schließlich (in seinem Kommentar zum Abschnitt Jore De‘a 89,1) fest, dass es in Aschkenas üblich sei, nur eine Stunde zu warten. Nur manche würden es genauer nehmen und sechs Stunden warten, was er für die angemessene Vorgangsweise hielt. Hier wird die Präferenz bereits deutlich. Sein Zeitgenosse Salomon Luria (Ma- harschal, um 1510–1573) formulierte es allerdings noch klarer und meinte, dass die, welche sich nicht an die sechs Stunden hielten, lax seien, wäh- rend die Frommen bis zum Abend ihre Hände von einem Käsegericht lassen würden, wenn sie am Morgen Fleisch gegessen hätten. Er bezeichnete diese Frommen schließlich als Kinder der Tora und hielt es für angebracht, die anderen zu verurteilen (Jam schel Schlomo zu Chullin 8.9). Was demnach bis dato ein angesehener Brauch war und sowohl von der rabbinischen Tradition als auch den aschkenasischen Gelehrten unter- stützt wurde, verkam nun zu einer laxen Praxis, ja geradezu zu einer Art Missachtung der Tora. Die Abgrenzung von fromm gegenüber lax ist eine Form der Distanzierung von anderen, die vor allem innerhalb der eigenen Gruppe Bedeutsamkeit erlangt. Tatsächlich verlief schon in der rabbinischen Literatur der Gra- ben nicht nur zwischen Juden und Nichtjuden, sondern auch zwischen den (rabbinisch) gebildeten Juden und den Am Ha’aretz, den Ungebildeten, de- nen man u. a. auch im Hinblick auf die Speisegebote nicht traute. Mitunter Die Abgrenzung von fromm gegenüber lax
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
4:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
214
Categories
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