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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
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59 | www.limina-graz.eu Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum der Schluss verbunden, dass jene, die es mit dem Lernen nicht genau neh- men, auch in Speisefragen als nachlässig erlebt werden. In einer mehrfach in Varianten erzählten Geschichte über die Anfänge des Studiums des bedeutenden Rabbi Eliezer wird berichtet, dass er, der erst mit fast dreißig Jahren zu lernen beginnen wollte, solange kein Essen zu sich genommen hatte, bis Rabbi Jochanan ihn Tora lehrte14 (vgl. Pirqe de- Rabbi Eliezer 1–2; Avot de-Rabbi Natan A 6.22-32; Avot de-Rabbi Natan B 13.4-21; Genesis Rabba 42.1; Tanchuma B Lech Lecha 10). Eliezer sehnt sich eben nach der wahren Speise. Dabei kommt einem leicht der Spruch aus dem Mund Jesu in den Sinn: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, son- dern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“ (Mt 4,4), der seinen Ursprung in Dtn 8,3 hat: „Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht.“ Hierzu heißt es im Midrasch Sifre Dtn § 48: „‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein‘– das bezieht sich auf den Mi- drasch; ‚sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt‘ – das bezieht sich auf Halakha und Haggada“. Speisen und Getränke sind also weit mehr als nur Dinge, die unsere Le- bensfunktionen irgendwie aufrechterhalten. Vielmehr spiegelt der Um- gang mit ihnen das Bewusstsein für das großartige Geschenk des Lebens. Man anerkennt die Heiligkeit und Besonderheit Gottes, indem man seine Speisegebote achtet und sich an sie hält, man kann durch sie die Identität der Gruppe stärken und sich von anderen abheben. Man kann Speisen und Getränke metaphorisch und symbolisch anreichern. 14 Rabbi Eliezers Schicksal ist von den Anfängen bis zum Ende mit der Symbolik des Essens verbunden. Zu- erst einmal fastet er, bis er die rich- tige Nahrung, die Tora, bekommt. Dann urteilt er über einen Ofen gegen die Mehrheit der Rabbinen, wird dafür letztlich gebannt, straft daraufhin die Welt mit Dürre, und kurz vor seinem Tod beschreibt er den Rabbinen seine Lehren über das magische Anpflanzen von Gurken etc. (vgl. u. a. Talmud Bava Metzia 59ab; Sanhedrin 68a). Speisen und Getränke sind mehr als nur Dinge, die unsere Lebensfunktionen aufrechterhalten.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
4:2
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
214
Categories
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