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Ulvi Karagedik | Ansätze für eine islamische Speiseethik gemäß den islamischen Primärquellen Koran und Hadith
dir getan hat, und trachte nicht nach Unheil auf der Erde! Gott liebt nicht
die Unheilstifter“ (Koran, 28:77).
3.1 Solidarität und Hilfeleistung
Im Zuge der herzustellenden Balance zwischen körperlichem und see-
lischem Heil soll der Gläubige sich nicht vernachlässigen, es jedoch auch
nicht unterlassen, Gutes zu tun und solidarisch zu handeln. Eine wichti-
ge Dimension in der islamischen Speiseethik ist es daher, zu teilen und zu
helfen:
„Sie geben dem Armen, der Waise und dem Gefangenen Speise, obwohl
sie sie selbst lieben“ (Koran, 76: 8); „Esst davon und gebt dem Notlei-
denden und Armen zu essen!“ (Koran, 22: 28; 22:36)
In prophetischen Überlieferungen wird darüber hinaus empfohlen, mög-
lichst Essen zu teilen und gemeinsam zu essen (vgl. Abū Dāwūd: ʾaṭʿima,
3764; 29; 3755; Ibn Māğa: ʾaṭʿima, 3286; 36; 3286) oder Bediensteten stets
eine Essensgabe zu leisten (vgl. Al-Buḫārī: ʾaṭʿima, 5460; 89; 370). Beim
Gemeinschaftsessen solle jeder zudem nur von dem zu sich nehmen, was
sich direkt vor ihm befinde und den Radius des Essensnachbarn nicht tan-
gieren (vgl. Al-Buḫārī: ʾaṭʿima, 5377;5; 289; Ibn Māğa: ʾaṭʿima, 3267; 17).
Das Essen einer Person könne auch für zwei Personen reichen und ge-
teilt werden (vgl. Al-Buḫārī: ʾaṭʿima, 5392; 20; 304). Solidarität, Spende
und Empathiefähigkeit finden sich darüber hinaus in zweien der grundle-
gensten islamischen Religionspraktiken, dem Fasten sowie der Almosen-
pflichtabgabe (Zakāt).
3.2 Das Verbot der Nahrungsbeschaffung durch direkte Schädigung
Die Herkunft der Nahrung ist in der islamischen Speiseethik als mindes-
tens genauso wichtig zu beurteilen wie die Beschaffenheit und Herstellung
der Produkte selbst. Dabei ist der Grundsatz zu wahren, dass bei der Nah-
rungsbeschaffung die Rechte anderer nicht verletzt werden dürfen:
„Verzehrt nicht untereinander trügerisch euer Vermögen und bringt es
nicht den Richtern, um sündhaft einen Teil des Vermögens der Menschen
zu verzehren, wo ihr doch Bescheid wisst!“ (Koran, 2: 188; vgl. 4: 10)
Balance zwischen körperlichem und seelischem Heil
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven